2 Tage wach

Wir verlieren morgens über 2 Stunden, weil wir beim Trampen auf den Tipp von Nesha vertrauen, bis wir nass bis auf die Knochen sind und genervt erst um 12 Uhr vom hitchwiki-Spot loskommen. Dabei waren wir extra früh aufgestanden.

vergeblich

vergeblich

Es geht schleppend voran und als es dunkel ist, hängen wir in einer Tankstelle am Ende von Serbien fest. Es ist immerhin eine deluxe-Tankstelle, wir können uns dort auf Getränke einladen lassen und den packenden Euro-League-Krimi zwischen Partizan Belgrad und Baku verfolgen (0:0 ohne Verlängerung oder Elfmeterschießen). Ich habe mich längst mit dem Gedanken angefreundet, auf dem Tanke-Sofa zu schlafen, aber Felix gibt sich unermüdlich und rekrutiert im strömenden Regen tatsächlich noch einne Lift nach Sofia. Dort kommen wir um 0:30 uhr an und wollen einfach nur noch schnell einen Platz zum Schlafen.

Sofia auf die Schnelle (links das Taxi)

Sofia auf die Schnelle (links das Taxi)

Ein Taxifahrer bietet uns an, uns kostenlos zu einem Hostel zu fahren. Wir willigen ein und landen in einer Ecke ohne Hostel und ohne Straßenlaternen, dafür mit besonders vielen Straßenhunden. Dem Taxifahranfänger tut es leid, er fährt uns zurück auf die Hauptstraße. 1:30 Uhr. Option 1: Die relativ massiv wirkende Tür des Hostels eintreten, dessen Rezeption um diese Zeit natürlich nicht mehr besetzt ist. Option 2: BestWestern Sofia à 100 Mark (die gibt es hier auch noch, heißen nur Leva) pro Nacht und Nase. Wir wählen Option 3 und schlafen gar nicht. 10 Minuten nickern im U-Bahnhof und ansonsten Warmhalten sind angesagt. Dank Zeitverschiebung müssen wir 1 Stunde weniger überbrücken, mit der ersten U-Bahn geht es raus aus der Stadt, vorher noch schnell im Metro zu unverschämt deutschen Preisen einshoppen. Am Ende des Tages haben wir wieder viele Autos gehabt. Nachdem wir uns 27 Mal von den Kindern einer Familie, bei der wir im Wohnmobil mitfahren, im Uno abziehen lassen kommt unser größter Fang am Ende. Costa  sammelt uns an der alten Fernstraße Richtung Türkei auf, nachdem wir in der Stadt davor den Weg zur Autobahn links liegen lassen haben, da diese in unserem Atlas von anno 2002, der uns geschenkt wurde, noch nicht verzeichnet ist. Costa ist Bulgare und gerade dabei 2 750-Liter-Fässer für seinen schwarz hergestellten Wein nach Hause zu fahren. Als Costa klein war, hat er mit seinen Kumpels deutsche Pornos übersetzt (die goldene Ära mit Dolly Buster uvm) und dadurch wurde Deutsch sein Lieblingsfach in der Schule. Wir können uns also super unterhalten und ich lernen viel über das ganz alte Bulgarien und die Thrakier.

thrakischer Traktor

thrakischer Traktor

Unterwegs laden wir 750kg Getreidesamen zu und kommen dann bald in Costas Heimatstadt an. Die ist 1km von Griechenland und 10km von der Türkei entfernt und ganz beschaulich, weshalb wir uns entscheiden, über Nacht hier zu bleiben. Costa fährt uns noch kurz einmal rum, zeigt uns die vielen Casinos (wo die Zocker unter den Türken hinkommen, dort sind die nämlich verboten), das Stadtfest und auf Wunsch das Roma-Viertel. Dieses hat sogar eine Kirche und ist besser in Schuss, als ich es mir vorgestellt hätte.

zu Sowjetzeiten falsch geparkt...

zu Sowjetzeiten falsch geparkt…

Wir suchen uns einen versteckten Campingplatz im halb ausgetrockneten Flussbett des Mariza, welcher später die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei markiert.

Mariza mıt Brücke von fünfzehnhundertschiessmichtot

Mariza mıt Brücke von fünfzehnhundertschiessmichtot

Heute hier, morgen dort

Es muss ein guter Tag werden, wenn wir es heute noch bis nach Belgrad schaffen wollen. Das Wetter spielt schonmal mit und so frühstücken wir gemütlich im Schatten der Robinson.

Im Schatten der Robinson

Im Schatten der Robinson

Wir haben 3 kürzere Fahrten, müssen uns mit der Tochter einer Fahrerin bei Facebook befreunden und werden mit Eurodancemusik bis an den Stadtrand gefahren, obwohl der Typ eigentlich nur halb so weit musste. Hier in Bosnien läuft es mit dem Trampen. Als wir ein hitch bis zur Grenze bekommen möchten, kommt es noch besser: Es stellt sich heraus, dass Boris (oder so ähnlich, wissen wir leider nicht mehr genau) einen Kumpel vom Flughafen in Belgrad abholen, er nimmt uns die ganze Strecke mit. Boris ist gerade von 5 Jahren Afghanistan zurück und kann einiges vom Feldlager Kandahar (da leben 50.000 Menschen!) erzählen, wo er als Zivilist Sicherheitstüren gebaut hat. Fast jeder seiner Sätze auf der Fahrt beginnt mit: „Listen!“ und endet mit „and now, everything is fucked up.“ Für die letzten 20km vom Flughafen in die Innenstadt finden wir auch schnell jemanden, von dem wir unterwegs freundlicherweise noch ein paar Infos zu Sehenwürdigkeiten, Nightlife und Drogen in Belgrad bekommen. Wir werden direkt am günstigsten Hostel der Innenstadt abgesetzt. Wir sind anscheinend die einzigen Gäste und nachts tackern die Mitarbeiter im Nebenzimmer. Wir sind dank 5cm-Gipswand live dabei, bis im wahrsten Sinne des Wortes die Bettpfosten in die Knie gehen und eine Latte aus dem Bett bricht. Jetzt Ruhe? Nein, weiter geht’s kurz darauf. Das Telefon klingelt. Kurz rangegangen und weiter im Text. Am nächsten Morgen gibt’s Riesenhamburger zum Frühstück und wir machen bei einer dieser Free-Walking-Tours mit, die es mittlerweile in jeder osteuropäischen Großstadt gibt. Wieder versenden wir vergeblich Couchsurfing-Requests, das klappt irgendwie noch gar nicht. Trotz des guten Wetters holen wir uns beide Husten und Schnupfen weg und ich merke, wie sehr die Reiselaune mit meiner Verfassung steigt und fällt.

Belgrad vom Festungshuegel aus

Belgrad vom Festungshuegel aus

Innenstadtgasse
Innenstadtgasse

Am frühen Abend holt uns das Weltuntergangswetter wieder ein. Irgendwie ist das ein Deja-vu: Unsere Rucksäcke im Hostel, draussen Regen und nichts zum Pennen. In der Couchsurfing-Belgrad-Gruppe erfahren wir von einem Gathering. Wir gehen in die Kneipe und lernen ein paar Menschen kennen. Zwar haben wir spannende Diskussionen, zum Übernachten läd uns aber niemand ein. Es sind so um die 50 Leute da, eigentlich muss doch was gehen. Als die Kafana (eine serbische Mischung aus Cafe, Bar und Restaurant) schliesst, ziehen wir mit dem harten Kern weiter in den Park und dann einen anderen Club.

Schon wieder im Regen

Schon wieder im Regen

Ein leicht angetrunkener Nesha hat dann doch noch einen Fußboden, den er uns feilbietet. Das Zimmer sei jedoch eigentlich zu klein für 3 Leute, was ich als Bescheidenheitsbla abstempel. Das Zimmer ist wirklich zu klein für 3 normalgroße Menschen im Liegen. Felix und ich dürfen auf dem Sofa schlafen, der Hausherrhat daneben noch ungefähr 50 cm Platz für sich auf dem Boden. Wir sind glücklich über dieses Arrangement, welches uns eine vernünftige Mütze Schlaf beschert, den wir später gut gebrauchen können.

On the road again

Nachdem wir vergeblich versuchen, unsere beiden Mitbewohner zu wecken (selbst aus 10cm Entfernung ist nichts zu machen, wer weiß, was die wieder intus haben), um uns kurz von ihnen zu verabschieden, treffen wir uns mit Ahmed in der Altstadt.

Aussicht 1: Unser Balkon

Aussicht 1: Unser Balkon

Wir gehen nochmal eine kleine Runde und bedanken uns ausgiebig bei ihm. Ohne Ahmed hätten wir Sarajevo niemals so kennengelernt, so viele Leute getroffen und solch eine Unterkunft gefunden. Er würde sich im Gegenzug über viele unserer Freunde freuen, denen er die Stadt zeigen kann. Kommt also nach Sarajevo und meldet Euch bei Ahmed (http://www.facebook.com/ahmed.bradaric?ref=ts ; 0038761931989) – es lohnt sich allemal!

Aussicht 2: Von einem Hügel

Aussicht 2: Von einem Hügel

Noch ein bosnischer Kaffee

Noch ein bosnischer Kaffee

Wir fahren für 2 Mark (ja, die gibt’s hier noch) mit dem Bus in die Vorstadt, um von dort aus gen Norden zu trampen. Am Spot lernen wir Sandy kennen: Einen 50-jährigen Bosnier, der sich als Journalist, Übersetzer, Sprachlehrer, Autor, Verleger und Lebenskünstler versteht (fast hätte ich „ausgibt“ geschrieben, aber er hat uns 2 seiner Bücher gezeigt, ist also irgendwas dran.). Er will ich seit 30 Jahren nur hitchhikend fortbewegt haben. Am Anfang freuen wir uns, jemanden gefunden zu haben, der so gutes Englisch spricht. Nach kurzer Zeit geht uns Sandy jedoch gehörig auf die Nerven, da er überhaupt nie aufhört zureden. Dabei sind seine Hauptthemen seine Verflossenen und Heidi Klums Blowjob-Qualitäten. Das geht so weit, dass wir uns nach einer guten halben Stunde entschließen weiterzuwandern, um eine neue Stelle ohne Sandy zu finden. Wir sind kaum 5 Minuten gewandert, da überholt er uns hupend. „Na toll!“ denken wir, doch ein kleines Stück weiter bleibt der VW Golf 2 (ungefähr 70% der Autos hier sind diesen Modells) stehen und wir können auch noch mitfahren. Sandy sitzt vorne und managed das Gespräch, wir können entspannen und müssen nur ab und zu ein paar Preisfragen (Sorry, dass ich nicht weiß, wer „Тихий Дон“ geschrieben hat. Nein, mit dem Tipp, dass er der einzige praktizierende Arzt in der sowjetischen Literatur war, kann ich nichts anfangen.) beantworten und bekommen dann noch bosnischen Käsekuchen geschenkt. Kurz vor Tuzla biegen der Fahrer und Sandy ab und wir steigen aus. Mit einem Bus und einem weiteren Auto kommen wir zu einem großen Stausee und bauen unser Camp am Strand auf. Direkt neben uns führt eine Gondel über den See und macht nachts gruselige Geräusche.

gefährliche Gondel mit grauseligen Geräuschen

gefährliche Gondel mit grauseligen Geräuschen

Außerdem haben wir hier schon den einen oder anderen streunenden Hund gesehen. Heute Nacht ist wohl viel wachliegen angesagt.

Spoiler: Wir haben's überlebt!

Spoiler: Wir haben’s überlebt!

 

Sarajevo

Wir kommen um 7:00 Uhr mit dem Zug an. Wir wollen uns bei Ahmed entschuldigen, der schon fast eine Stunde auf uns am Bahnhof warten müsste. Der weiß aber, wie der Hase läuft und hat die Verspätung einkalkuliert. Überhaupt ist es ein krasser Typ, der da in seiner La-Martina-Porsche-Edition-Jacke auf uns wartet: Ahmed ist Imam und Halbprofiboxer, Kriegswaise und Stadtführer, Wirtschaftsstudent und Antiquitätenhändler. So eine Lebensrealität muss mir im behüteten Deutschland erstmal jemand mit 21 Jahren vorweisen.

Zuerst stellen wir unsere Rucksäcke in der Unterkunft ab, die Ahmed uns klargemacht hat. Die Butze knallt. Eine StudentenWG von 2 Schulkumpels, die ein Zimmer von 2 vermieten. Einer kommt aus dem Bett gekrochen um uns aufzumachen. Der andere winkt kurz aus dem Bett „Hey guys“ und wird uns als Vertreter des Landes beim heute Abend stattfindenden Biertrinkcontest D vs. BiH vorgestellt. Rosa Wände und ein Ausziehsofa, an der Wand ein Poster, auf dem Džeko Ronaldo verarscht, was will man mehr?

Unser Reich

Unser Reich

Wir ratzen 3 Stunden, da Ahmed ein großes Programm mit uns vorhat. Wir besichtigen 2 Stunden lang die Altstadt, die hauptsächlich aus vielen kleinen Geschäften, die seit dem Osmanischen Reich da stehen, besteht. Ein befremdlich-schöner Anblick. Dann beschließen wir, beim großen Freitagsgebet mitzumachen (das ist nämlich das einzige in der Woche, welches man im Islam nicht nachholen kann und da ich in meinem Leben schon um die 1100 verpasst habe…). Die zentrale Moschee ist beeindruckend und ich bekomme ein mulmiges Gefühl. Ahmed verspricht, dass wir nicht auffallen, wenn wir ihm alles genau nachmachen. Los geht’s mit dem Reinigungsritual, welches auf den ersten Blick recht überflüssig erscheint: 3 mal die rechte, 3 mal die linke Hand… usw usf. Später freue ich mich zu wissen, dass die Füße, zwischen die ich meinen Kopf während des Gebets drücke wenigstens alibifrisch gewaschen sind.

Waschen

Waschen

Dann beginnt drinnen das große Knien: Feels like Pferderennen hoch 27 (für Outsider: Ein Energizer, bei dem man kniend ein Pferd nachahmt. Kennste nich? Musste probieren!) Nach ca. 15 Minuten traue ich mich, die Position meiner Beine zu verändern. Die sind inzwischen eingeschlafen und nicht mehr durchblutet. Der Imam singsäuselt abwechselnd auf bosnisch und auf arabisch, ich falle in eine Minitrance. Dann beginnt erst das eigentliche Beten. Die 6 Positionen hat manh relativ schnell drauf und dann geht es hoch, runter, hoch, runter… Mit den 500 Männern (Frauen müssen draußen bleiben) vor, hinter, über, unter, rechts und links von sich fühlt man sich ein wenig wie Teil von etwas Größerem.

nur noch Bonusbeten: Als es voll war habe ich mich nicht getraut zu fotografieren

nur noch Bonusbeten: Als es voll war, habe ich mich nicht getraut zu fotografieren

Mit dem Spirit ziehen wir weiter in ein muslimisches Café, wo es starken Kaffee und orientalischen Flair gibt. Ahmed kennt übrigens jeden hier in der Stadt, durch die ganzen Salam Alaikums, Wangenküsschen und geschüttelten Hände kommen wir zwar langsamer voran, sehen dafür aber auch viele Gesichter. A propos: Viele Gesichter hat auch die Stadt Sarajevo: Katholische, orthodoxe, muslimische, kroatische, serbische, bosnische. Da ist der Überblick schnell verloren und auch im Balkankriegmuseum kann ich mir nur Bruchstücke zu etwas größeren Bruchstücken zusammensetzen, aber das große Ganze, das Geflecht von gegenseitigem Einfluss der Völker, Länder, Armeen und Verbündeten zu durchsteigen ist mir eine Nummer zu groß. Darüber hat man halt auch gar nichts in der Schule gelernt, obwohl der Shit topaktuell ist (immerhin weiß ich später noch wer Franz Ferdinand ist, als wir die Brücke besichtigen, auf der damals der Erste Weltkrieg begann). Das Geschichtsbuch „1. WK bis heute“ in der nächsten Buchhandlung hat nicht umsonst mehrere tausend Seiten.

Im Café

Im Café

Viele Kriegsgräber und viele Minarette

Viele Kriegsgräber und viele Minarette

Im mexikanischen Club wird uns abends der Drogenbaron von Sarajevo vorgestellt. Hallo, ja ist mir auch eine Ehre. Als der Morgen graut, ist es genau der, der seinen Kopf in unser Zimmer steckt und breit grinsend fragt, ob wir noch Einen mitrauchen wollen. Wir schlafen seit Stunden.

Out of Zagreb

Als wir aufwachen ist das Wasser überall. Natürlich hat das Dach nicht gehalten. Mit meiner Isomatte schwimme ich in einer Zementpfütze. Ich bekomme schlechte Laune, als ich sehe, dass es immer noch wie aus Kübeln gießt. Alles, was über Nacht nicht doppelt verpackt war, ist dank der Luftfeuchtigkeit auch durch.

Wir stopfen erstmal alles in die Rucksäcke, in der Hoffnung die Sachen irgendwann irgendwo im Trockenen aufhängen zu können. Wir wollen nur noch raus aus dieser Stadt, die uns außer Regen nichts mehr zu bieten hat. Wir holen uns ein paar Infos ein und entscheiden uns für den Nachtzug nach Sarajevo, wo ich über Olli 1,2 Kontakte bekommen habe. Den Tag verbringen wir in der mall, wo ein halbherziger Versuch, sich von hinten ins Kino zu schmuggeln, am aufmerksamen Kassenpersonal scheitert (anscheinend verdienen die hier nicht so mies wie bei uns). Am PC in der Hotellobby nebenan geht mit Windows 2000 und InternetExplorer 6 auch nicht so die Party ab. Felix liest mir ein paar Kurzgeschichten vor, was meine Verfassung nur unwesentlich aufheitert. Das ist also mein erster Reise-Down. Ich fühle mich kränklich (auf Grund der vorangegangenen Nacht wohl auch kein Wunder) und würde am liebsten nur jammern. Aber da ist dieser Louis in meinem Kopf und spricht mahnend: „Komm schon Lobosch, jetzt mal ein bisschen behaviour zeigen!“ So verstreichen irgendwie der Nachmittag und der frühe Abend. Irgendwann kaufen wir uns ein  Kartenspiel und spielen ein Spiel, was ein Kumpel von Felix von irgendwelchen Pazifikinseln mitgebracht hat. Wir taufen es Tomas zu Ehren liebevoll pikkenoleka (zu deutsch „Arschbrand“, leider weiss ich die richtige Schreibweise nicht.). Den löchrigen Regelteppich flicken wir mit ein paar Improvisationen. Vor Abfahrt des Zuges setzen wir uns vor die Post und hauen unser restliches Essen in die Campingkocherpfanne. Wir steigen in den Zug und von Zagreb bleiben uns vor allem Enttäuschungen und Grapefruitsaft (Insider-Alarm!) im Kopf. Wir versuchen das Ganze in einem Lied lyrisch zu verarbeiten. Aus dem Nachbarabteil klopft es empört an die Wand, noch bevor wir zum zweiten Teil, dem Lobgesang auf Sarajevo, kommen.

Regen

Wir wünschen Tomas eine gute Reise, dann gehen Felix und ich in’s Internet-Café, um  uns eine Couch für heute Nacht zu klären. Nach 3 Stunden haben wir beide alle Bundesliga- und Länderspielergebnisse nachgelesen, uns bei unseren Daheimgebliebenen gemeldet, unsere Fotos sortiert und die Facebookprofile geupdatet. Wir bezahlen und merken erst zu spät, dass wir verarscht wurden und viel zu viel bezahlt haben. Als wir rauskommen, regnet es.

Es regnet, es regnet, die Erde wird nass

Es regnet, es regnet, die Erde wird nass

Kein Problem, wir haben uns ja um einen Couchsurfhost bemüht. Oder? Ne, hat keiner gemacht. Tja, dumm gelaufen. Naja, kümmern wir uns halt später darum. Jetzt erstmal zu dieser Stadtführung. Wie ist heute nicht? Ok, dann zu Fuß durchgewalkt. Wir finden einen Campingzubehör-Shop und können uns Ersatz für Felix durchgerosteten Gaskocher besorgen. Draußen geht jetzt die Welt unter. Und jetzt? Lostrampen können wir bei dem Wetter bestimmt nicht. Zelten ist blöd, die wären voll mit Wasser, bevor sie fertig aufgebaut sind. Noch eine Nacht in das Hostel, in dem übrigens immer noch unsere Rucksäcke stehen? „Jetzt lass mal wegen dem bisschen Mistwetter nicht so defensiv werden“ „Ok, kriegen wir hin“, wir haben eh nicht genug Kuna für noch eine Nacht da. Wir flüchten von der Straße ans nächste trockewne Plätzchen, die mall. Im CineStar ist Kinotag. Umgerechnet 3,50€ für Bourne Legacy im „extreme!“-Kinosaal sind einfach zu verlockend. „Es wird aber krass verkackt dann heute Abend, ne? Wir haben gar nichts, noch nicht mal unsere Rucksäcke.“ Na und? Pläne sind was für Anfänger. Sind wir nicht. Jedenfalls vom Gefühl her.

Im Kino findet niemand komisch, dass wir mit unseren kompletten Essensvorräten einreiten. 3 Tüten voll Essen, ganz oben unter anderem 2 Fische. Das muss ich mal in Berlin versuchen und die Reaktionen vergleichen. Bier haben wir natürlich auch geladen. Ob es daran liegt, dass wir den Plot nicht verstehen? Ganz ehrlich, warum muss der Typ jetzt plötzlich bunte Pillen schlucken und wo ist überhaupt Matt Damon abgeblieben?

Den hätten wir auf jeden Fall verstanden...

Den hätten wir auf jeden Fall verstanden…

Immerhin war’s laut und trocken. Wir schwimmen durch die Stadt zurück ins Hostel. Der Schichtwechsel an der Rezeption kommt uns gelegen, wir können die Dame überzeugen unsere Fische in der Hostelküche braten zu können. Ich will nicht wissen, wie der Müll morgen riecht. Uns egal, wir sind dann ja weg.

so saftig-süüüß

so saftig-süüüß

Mit unserer Regenrüstung angelegt fühlen wir uns wie harte Jungs und dem Wetter gewachsen. Wir checken um 0:30 Uhr aus, ohne den geringsten Plan, wo wir heute Nacht pennen sollen.

Wir Regenritter

Wir Regenritter

Von Menschen auf der Straße bekommen wir die Adresse von einem besetzten Haus, wo wohl was geht. Unterwegs dahin scouten wir ein paar Hinterhöfe auf ihre Übernachtungstauglichkeit. Der Parkplatz vom österreichischen Konsulat macht auf den ersten Blick was her, ist dann aber morgen früh wohl doch zu frequentiert. Genau wie der Hausflur des nebenstehenden Mietshauses. Aber dann: In einem Hinterhof wird gebaut, das Haus hat ein provisorisches Wellblechdach. Das muss jetzt reichen, das besetzte Haus ist uns bei dem Schweinewetter (Wir sind unterwegs in muslimische Gefilde, da sind Schweine eh haram!) zu weit. Unter dem Dach ist es im wahrsten Sinne des Wortes staubtrocken. Wir fegen den Bauschutt ein wenig zusammen und rollen unsere Isomatten aus.

Die Unterkunft

Die Unterkunft

Richtig blöd wäre, wenn die hier morgen (also in 4 Stunden) trotz des Wetters weiter werkeln wollen. Jetzt ist auch egal. In weiser Voraussicht stellen wir noch unsere Rucksäcke auf Stühle. Dann beginnt die bis dato ungemütlichste Nacht.

Zagreb

Wir scheren uns um die Checkouttime ungefähr soviel, wie gestern Abend um’s Rauchverbot. Hallo, das Zimmer kostet 18€ pro Nase! Wir frühstücken Cevapi im Grillhaus. Ich mag’s ja gerne fettig und so, aber das ist selbst mir ne Nummer zu krass: Hier wird Brot fritiert, um es mit fritiertem Fleisch zu füllen. Ein paar Zwiebeln obendrauf und das war’s dann.

Der letzte Bissen Fett

Der letzte Bissen Fett

Wir bringen Tomas noch zum Bahnhof, von wo aus er nach Budapest weitertrampt. Unterwegs philosophieren wir über das hitchhiking als Lebenshaltung. Heraus kommt ungefähr Folgendes:

Hitchhiking-Regeln

1. Immer freundlich lächeln

2. Wir sind keine Touristen! Die Touristeninformation benutzen wir höchstens, um nach der Hitchhiker-Information zu fragen

3. Verlasse niemals die Straße, wenn nicht unbedingt nötig.

Hitchhikers Feinde

1.Scheißerei

2. Dunkelheit

3. Regen

Jetzt geht’s richtig los?

Das letzte Frühstück mit Daplu&Daplu ist organisatorischer Natur. Die beiden planen ihren Weg zurück in die Mutterstadt und ich versuche ihre Atlaskarten in möglichst hoher Auflösung abzufotografieren, was irgendwie nur dürftig klappt.

Die beiden bringen mich zu einer Landstraße in meine Richtung, unterwegs male ich mir mein erstes Tramp-Schild dieser Tour (den Bus hatte ich doch wieder verworfen).

Lift nach Zagreb? Is nich!

Lift nach Zagreb? Is nich!

Ich brauche 3 Stunden für das erste Auto. „Das kann ja heiter werden“, denke ich mir. Ich komme mit netten jungen Menschen bis Ljubljana. 2 Anschlüsse sind schnell gefunden, der 2. Typ sammelt mich unter Einsatz seines Lebens direkt auf der Autobahneinfahrt ein, schmeisst sich dann einen Schwedisch-Extremkurs in den CD-Player und redet die ganz Fahrt über kein Wort mit mir. 1km vor der kroatischen Grenze muss er abbiegen und schlägt mir vor, ganz easy zu Fuß einzureisen. Mache ich dann auch (wie auch sonst?). Die Leute zeigen mir einen Vogel, anstatt mich mitzunehmen. Als ich an der Grenze ankomme ist es dunkel. Das ist der Punkt, an dem Du als Hitchhiker verzweifelst, keiner nimmt einen im Dunkeln mit. Die Polizisten an der Grenze zeigen mir einen Vogel, anstatt mit weiterzuhelfen. Ich wandere bis zur ersten Mautstelle und warte sehr, sehr, sehr lange. Ich suche mir einen Platz, um mein Zelt aufzubauen. Einmal halte ich mein Schild noch hoch, halb aus Witz, halb aus Verzweiflung. Der Typ kurbelt die Scheibe runter, heraus dröhnen fette Bässe. „Are you going to Zagreb, Mister?“ „I am“ sagt eine Stimme, die man vom Ton sofort in der Bronx verortet. „May I come in?“ frage ich Ice-Cube. „Fuck noooo!….ahahaaha just kidding.“ Ich schließe meinen Mund wieder. Im Stillen danke ich meiner Käppi. Bestimmt nimmt er mich mit, weil Mr. Flatcap aus Miami (aber er wurde in NY geboren, so Unrecht hatt ich also nicht) denkt, wir wären Seelenverwandte. Die Fahrt nach Zagreb wird verrückt. Er arbeitet für eine Firma, die angeblich mit Leder handelt, ich kann mir vorstellen, dass da noch andere Rohmaterialien im Spiel sind. Jedenfalls ist er eingeflogen, um morgen 100.000€ von einem Kunden einzutreiben (Die Amis sind da irgendwie immer nicht so scheu, mit ihren Zahlen zu prahlen). Achso und wie? „I’ll kick his ass, man!“ Oh, na dann viel Erfolg wünsche ich. Vorher muss er aber dringend bis 20.00Uhr (das war vor 5min) bei WesternUnion eine dicke Überweisung abholen. Zu diesem Behufe fährt er einhändig mit Worpgeschwindigkeit durch die Innenstadt, während er am Telefon einen Menschen nach dem Weg fragt, der ihn anscheinend nicht ganz genau kennt. Der Auskunftmensch kann einem nur leidtun. Also einfach ein paar Taxis überholen und unterwegs brüllend nach dem Bahnhof fragen. Dort setzt er mich nach der Ralley auch ab.

Hin da!

Hin da!

Ein paar Minuten später kann ich endlich Felix in die Arme schließen. (Klingt schwul? Ist einfach nur pure Freude) Ich bin dankbar, dass Felix und Tomas uns ein Hostelzimmer gebucht haben. Tomas ist Felix‘ Bishierhinreisekumpel und ich lerne ihn kennen, wie er ziemlich betrunken mit der Rezeptionisten flirtet. Ich begehe heute Abend noch 2 Fehler: 1. Ich rauche mit Tomas seine „pipe of good ideas“ (Ich kann seinem Aufruf „Whoooo wants to smoke the pipe of good ideas?!“ nicht widerstehen.) 2. ist ein Folgefehler: Ich trinke direkt im Anschluß aus meiner einzigen Wasserflasche, woraufhin diese für die nächsten 6 Liter ungenießbar wird. Für den Abend sind wir mit 2 Mädels verabredet, die die beiden irgendwoher kennen. Let’s go, let’s do this, die Party kann beginnen.

Spoiler: Tomas am Morgen danach

Spoiler: Tomas am Morgen danach

Piran und alle Wege führen nach Rom

Wir verabschieden uns mit einem Bad vom Meer und frühstücken Obst, auf das wir besonders stolz sind, weil wir es gestern eigenhändig containert haben. So schmeckt’s leider auch. Dann reisen wir wieder in die EU ein und zwar nach Piran. Piran war früher mal ganz reich, aber das sieht man nur noch an den alten Gebäuden. Wir wandern einmal durch die Stadt, wozu wir ca. 3000 Höhenmeter überwinden müssen (rauf, runter, rauf …you know, what I’m talkin‘ about). Wir suchen vergeblich nach Fisch fürs Abendbrot, da sag nochmal einer, der komme aus dem Meer.

Piran von der Stadtmauer aus

Piran von der Stadtmauer aus

Dann wollen wir nach Italien. Das ist leichter fromm gewünscht als getan. Weil wir die slowenische Vignette sparen wollen, dürfen wir keine großen Straßen benutzen. Die slowenische Regierung will aber, dass man ihre großen schönen Straßen benutzt benutzt. Deshalb führt eigentlich kein Weg um die herum, immer wird man wieder irgendwie auf die Autobahn gelotst. Zum Glück sind wir nicht die Ersten, die sich ausgerechnet haben, dass wir für die Zwangsgebühr Benzin für hunderte Kilometer Umweg kaufen können und so fragen wir die findigen Kollegen von Google und Co. nach der Route. Dabei müssen wir etliche 180°-Kurven, 20%-Steigungen und kleinste Feldwege hinter uns bringen. „Als ob es hier nach Italien geht“ kann Jonathan gerade noch lachen, als der Netbookakku uns auch noch im Stich lässt. So gurken wir mithilfe von Fr. Becker, unserer persönlichen onboard-Navigationsassistentin, die ihr Handwerk wohl leider bei den Pfadfindern glernt hat, herum, bis uns völlig unverhofft ein Schild sagt:

"Italien"

„Italien“

Vor lauter Freude verspricht Luisa einen Tanz um das Wohnmobil (der steht noch aus, Madame!). Wir suchen uns ein lauschiges Plätzchen unter einer Autobahnbrücke, wo bestimmt Organe gehandelt werden und gehen zu Bett.