Burning Man

[Dies ist ein sehr viel zu spät veröffentlichter Artikel zum Burning Man 2016.]

 

Disclaimer: Das Burning Man ist das wahrscheinlich abgedrehteste Festival der Welt. Wer wie ich zum ersten Mal dort ist, bekommt so viel Atmosphäre, Eindrücke, Erlebnisse, Erinnerungen, Farben, Formen, Klänge, Lichter, Liebe, Gespräche, Menschen, Musik, Staub, Grenzgänge und -überschreitungen, Lieder, Worte, Gefühle, Blicke, Berührungen und Erfahrungen auf Augen, Ohren, Nase, Mund, Hände, Herz, Nieren, Lunge und Leber geballert. Es ist mir schier unmöglich, selbst jetzt mit einigem Abstand, die 10 Tage in Black Rock City in Worten oder Bildern (oder auch irgendwie sonst) vollumfänglich wiederzugeben. Außerdem will ich aus verschiedensten Gründen auch vieles nicht wiedergeben. Was hier folgt, ist also nur ein ganz kleiner Ausschnitt, eine Kurzgeschichte, ein paar Spotlights, ein Mini-Erlebnisbericht und eine schöne Erinnerung für mich selbst. Sorry dafür, dass ich so viele Superlative benutzt habe, aber alles, was ich als „riesig“ bezeichnet habe, war auch wirklich riesig bis gigantomatisch, ich schwöre.

Das Festival öffnet um 0 Uhr am Sonntag seine Türen und von allen, mit denen wir vorher gesprochen haben, haben als größte Quälerei die ewig langen Schlangen bei An- und Abreise beschrieben. Wir haben ein gutes Timing, brechen am Samstag so aus Reno auf, dass wir auf der einspurigen Straße in Richtung Festival nicht in den Stau geraten und passieren die erste Greeterin um kurz nach 23 Uhr. Ein cleveres System sorgt hier dafür, dass alle fair reinkommen: Wer zu früh da ist, wird auf einem „Parkplatz“ abgestellt und dieser wird ab Gateöffnung in – Achtung, das ist der Clou – in umgekehrter Reihenfolge, also last-in-first-out, abgebaut und die Autos im Reißverschlusssystem mit in die Schlange der pünktlich ab 0 Uhr ankommenden Gäste eingefädelt. Wer also um 11.59 Uhr ankommt, ist wahrscheinlich das zweite Auto auf dem Gelände (Nach dem ersten, der nach 0 Uhr ankommt) und wer schon um 20 Uhr kommt, muss am längsten von allen Zufrühkommern warten. Zufällig sehen wir das Auto, welches in dieser Position wohl noch deutlich länger als wir wird warten müssen: Ein VW mit Deutschlandfahnen-Außenspiegelüberzügen. Deppen. Wir warten also insgesamt kaum eine Stunde und dürfen uns in dieser Zeit schon Mal auf die nächsten zehn Tage einstimmen, nämlich mit unserem ersten „Whiteout“, ein Sandsturm, der so viel Staub umherwirbelt, dass man die Hand vor Augen kaum noch sieht und mit dem Auto sowieso stehen bleiben müsste. Wir wussten, dass es staubig wird, mit dieser Menge Staub hat aber wirklich keiner von uns gerechnet! Zum Glück haben wir uns ja vorher gut ausgerüstet und so laufen wir die ersten Schritte auf der „Playa“, so wird das Wüstengelände hier gemeinhin genannt, eingepackt in Skibrillen, Staubmasken und Schals.

Wir bauen unser Zelt in den „Suburbs“ auf. Eine weitere Besonderheit des Burning Man besteht darin, dass die meisten Burner in Themen- oder Support-Camps organisiert sind und die meisten Flächen in der Stadt an diese vergeben werden. Wer keine Campzugehörigkeit hat, sucht sich – wie wir – einen Platz in den auf der Karte noch weißen Flecken zwischen den Camps. Wir finden trotzdem einen recht zentral und gut gelegenen Campingplatz und während wir unsere Zelte und Planen abspannen, treffen wir unsere zukünftigen Nachbarn, wie wir eine Vierergruppe und sehr wunderbare Menschen.

Der Sonntag besteht tagsüber darin, unser 8-Leute-Camp „Awesome Bahnhofs“ aufzubauen und Fahrräder zusammenzusetzen und zu schmücken. Die sind hier als Fortbewegungsmittel unerlässlich, muss man doch von einem Punkt der Stadt zu einem anderen öfter mal mehrere Kilometer zurücklegen. Im Gegensatz zu anderen Festivals, gibt es beim Burning Man keine getrennten Camping und Feierbereiche. Es gibt überhaupt keinen Feierbereich, da vom Festival weder Bühnen aufgebaut werden, noch DJs gebucht. Alles, also jedes Kunstwerk, jede Bühne, jedes Artcar und jedes Event sind von den Teilnehmenden des Festivals, die daher gar nicht mehr Teilnehmende im eigentlichen Sinne sind, organisiert. Es entsteht eine mehr oder weniger organisch gewachsene Stadt mit Angeboten und Camps an buchstäblich jeder Ecke. Ordnung wird nur so viel wie nötig reingebracht, indem die Straßen und Plätze abgesteckt werden und an strategischen Orten Toiletten aufgestellt. Der Aufbau der Stadt ist so einfach wie genial: Der „Man“, eine große Holzfigur, die am Samstag verbrannt wird (genau, daher der Name), steht in der Mitte. Drum herum bilden konzentrische Straßen Halbringe, deren Anfangsbuchstaben durchbuchstabiert sind. Diese werden geschnitten von radial vom Man ausgehenden Strahlen-Straßen, die je nach ihrer Lage nach einer Uhrzeit benannt sind. So erstreckt sich Black Rock City von A wie Arno bis L wie Lorenzo und von 2 Uhr bis 10 Uhr. Alles klar? Der „leere“ Platz zwischen 10 Uhr und 2 Uhr ist die sogenannte „Deep Playa“, hier stehen besonders große Kunstwerke und hier treffen sich die Fahrradfahrenden und Artcars. Wir campen bei 6:30 Uhr und H wie High Renaissance. Das Motto des Burning Man ist in diesem Jahr „Da Vinci’s Werkstatt“ und so sind die Straßennamen Verweise auf das Wirken Da Vincis und der Man ist diesmal eine 13 Meter hohe, komplizierte, drehbare, aus Holz konstruierte Statue in einem runden Rahmen, angelehnt an Da Vincis Proportionsstudien der menschlichen Anatomie. Am Man und den Straßen kann man sich immer ziemlich gut orientieren, wo in BRC man sich gerade befindet und wo es lang geht.

Am Sonntagabend ziehen wir dann endlich zum ersten Mal richtig gemeinsam los, um die Stadt zu erkunden. Die hat es in sich: Wir sind noch gar nicht weit gekommen, da stoßen wir auf eine große Rollschuhbahn, bestimmt 50m² aus Holz, mit einer im Dunkeln LED-rot leuchtenden Abbildung der Golden Gate Brücke im Hintergrund, komplett mit einer großen Auswahl an Leih-Rollerskates und typischer Rollschuhbahnmusik. Wir drehen ein paar Runden und zum ersten Mal in meinem Leben probiere ich die klassischen Rollschuhe mit 2 Rollen vorne und 2 hinten aus. Lenken ist damit viel schwieriger als mit den Inlinern, die ich von zuhause kenne. Zwischendurch genehmigen wir uns einen Drink an der Rollschuhbahnbar. Schmeckt fantastisch und wie alles ist der natürlich auch kostenlos. In Black Rock City hat Geld kaum einen Wert. Das einzige, was man hier davon kaufen kann, sind Eiswürfel für die Kühltruhen und das auch nur an 3 Stellen in der Stadt. Alles andere funktioniert nach dem zweiten der 10 Burning Man-Prinzipien: „Radical Gifting!“, es entwickelt sich eine Schenk-Wirtschaft. Jede/-r hier bringt etwas mit, das anderen ohne Gegenleistung geschenkt wird. Angefangen bei eiskalter Wassermelone (besonders an den letzten Tagen ein Genuss!) über ein Theaterstück bis hin zu den riesigen, fünfundsiebzigtausend Dollar teuren hölzernen Leuchttürmen, auf denen tagelang Menschen herumklettern und Sonnenauf- und –untergänge bewundern, bis auch dieses Kunstwerk am Samstag verbrannt wird. Alles wird von Burnern erdacht, die sich wie wir ganz normal ein Ticket für das Festival gekauft haben, finanziert, hier ins Nirgendwo transportiert und teilweise tage- oder wochenlang vorbereitet und aufgebaut. Einfach, um alle anderen glücklich zu machen. Das ist schon wirklich beeindruckend. Nach der Rollschuhbahn finden wir ein Camp, in dem man Mario-Tennis auf der Wii spielen kann, sich den Controller aber vorher untenrum umbinden muss und dann mit schwingender Hüfte und dem Controller-Pimmel Aufschläge und Returns schlagen kann. Zum Schluss fahren wir eine Runde mit auf einem der „Artcars“, nicht mehr straßentaugliche, zu fahrenden Kunstwerken umgebauten Autos, meistens mit ordentlich Wumms an Bord. Wir haben stundenlang Spaß gehabt und haben unsere 6:30 Uhr Straße dabei noch kaum verlassen. Irre. Mit vom Staub verstopften Nasenlöchern, aber glücklich gehen wir am Ende dieser Nacht ins Bett.

Auf Sonntag folgen Montag, Dienstag, Mittwoch und der Crazy Ride geht genauso weiter, wie er begonnen hat. In vielen verschiedenen Camps wird zu bestimmten Zeiten Essen serviert und die Veranstaltungen haben meistens lustige Namen, bei „Meats and Beats“ legt ein DJ auf und dazu werden Briskets und Bratwürste verteilt, im Camp „Bubbles and Bass“ gibt es Champagner, es gibt grilled cheese, frozen bananas und überhaupt ist alles super lecker. Selbst wenn wir gar kein eigenes Essen mitgebracht hätten, wären wir hier super durchgefüttert worden. Ständig lernt man überall neue Leute kennen, alle sind super offen und viele sehen in ihren Kostümen unglaublich cool aus. Ich leihe mir von einem Mitte-Ende-fünfzigjährigen Pärchen ein Skateboard mit Benzinmotor aus und kann damit eine Weile über die Playa gleiten, Funfaktor 100.

Wir treffen die Jungs aus San Francisco in ihrem Camp wieder, Jim und Austin wohnen mit 100 anderen im Themencamp „Giraffes Family“, haben ihren geodesic dome aufgebaut und außerdem zwei lebensgroße, feuerspeiende Giraffen aus Metall, die das Eingangsportal des Camps bilden. Ihr weiteres Angebot an die Community besteht aus einem riesigen Klettergerüst für Erwachsene und einer an 3 Tagen geöffneten Craft-Beer-Bar. Jim hat mir den teuflischen Plan mit der Bar schon in San Francisco erklärt und der geht so: Es gibt kein Craft Beer. Auf einer 20 Biere umfassenden Bierkarte haben die Giraffen die am verhipstersten klingenden Craft Biere gesammelt und diese werden von den Barkeepern mit vollmundigen Beschreibungen angepriesen. „Circus Boy, 4,5% alc., 13 IBU“ zum Beispiel sei „ein kräftiges Hefe, gebraut in Vermont und isotononisch, also gesund.“ Oder „Yellow Snow IPA, 6,5% ABV“: „Ein recht helles lokales IPA, ein wenig hopfig im Abgang“ und so weiter… Wenn sich dann jemand eines dieser Biere bestellt, probieren die Bartender vergeblich, dieses Bier am Hahn zu zapfen und müssen sich dann entschuldigen, dieses Bier sei wohl gerade aus, man sollte doch aber unbedingt ein anderes probieren. Das andere gibt es natürlich auch nicht, „Oh, das muss gestern ausgetrunken worden sein, sorry!“ und so probieren die Anstehenden vergeblich, auch nur ein Bier von der Liste zu bestellen. Die Barkeeper fallen nicht aus ihrer Rolle, schütteln ungläubig den Kopf, fragen bei Campmitbewohnern nach, „Du sag mal, weißt Du ob es noch irgendwo ‚Copper Ale‘ gibt?“, „Hast DU vielleicht gesehen wo XY mit dem letzten Fass ‚Pliny The Elder‘ hin ist?“, laufen zum Lastwagen, kommen mit leeren Händen zurück, „Ne leider wirklich nichts mehr“ und empfehlen zwischendurch immer wieder wärmstens das „Daily Special“, welches auf einer Extra-Karte angepriesen wird und aus Bud light lime, dem wahrscheinlich uncraftiesten Bier aller Biere, besteht. Wer sich dann dazu überreden lässt, oder einfach den Überblick oder die Nerven verloren hat, bekommt eine Dose eiskaltes Limo-Bier davon. Bud light lime ist nämlich das einzige Bier, welches sie im Giraffencamp tatsächlich vorrätig haben.

Wir besuchen einen Workshop, in dem wir unsere Fahrräder ansprayen können, ich rolle fortan auf goldenen Reifen über die Playa. In einem indischen Zelt tanzen wir unter einer Sprinkleranlage, wirklich, sowas haben die Verrückten hier installiert und es ist eine bei der Mittagshitze (bis zu 40°C wird es hier tagsüber heiß, nachts aber auch wieder sehr kalt) so angenehme Erfrischung, dass wir gleich ein paar Stunden da bleiben. Fast jedes Camp hat ein paar interaktive Bereiche zum Mitmachen aufgebaut, es gibt unzählige Riesentrampoline, der Rückwärtssalto will mir leider nicht gelingen, den anderen dafür umso besser. Im Miki Beach Camp treffen wir eines Abends ein paar Hamburger, unter anderem freundet sich Floh mit einigen wirklich recht bekannten DJ-Größen aus der deutschen Szene an. Nachts zieht es uns meist raus in die Deep Playa. Die größten Artcars, „Robot Heart“ und der „Mayan Warrior“ sind auf riesige Bussen gebaut und tragen Boxen, mit denen man einen großen Berliner Club adäquat beschallen könnte. Die halbe Nacht fahren diese fahrenden Bühnen kreuz und quer über die Playa, eine Meute von einigen hundert Fahrradfahrern hinter sich herziehend. Zu einem bestimmten Zeitpunkt bleiben sie dann einfach irgendwo stehen, die Meute wirft ihre Fahrräder beiseite und innerhalb von 5 Minuten entsteht ein stattlicher Dancefloor, irgendwo in der Wüste, irgendwo im Nirgendwo. Meistens gesellen sich noch andere, kleinere Artcars dazu, steuern Lichteffekte und Chillmöglichkeiten bei. Einen besonders magischen Moment erleben wir, als diese beiden größten Artcars eines Nachts kurzerhand nebeneinander parken, sich mit einem dicken Kabel connecten und dann back to back, also immer jeweils einen Track abwechselnd, auflegen. Hat man so auch noch nicht gesehen oder gehört.

Immer wieder erleben wir fette Sandstürme, bleiben jedoch dicht zusammen und verlieren uns deswegen nie. Wir besuchen tagsüber den Tempel, ein riesiges Holzkunstwerk auf 12 Uhr in der Deep Playa. Ein sehr beeindruckendes Erlebnis, hier nehmen Burner Abschied von Verstorbenen oder begrüßen Neugeborene, alles Holz ist vollgeschrieben, mit Bildern und kleinen Gegenständen verhängt und viele Menschen sitzen andächtig in und um das Gebäude. Der Tempel brennt als letztes ab, am Sonntag, und entlässt alle Grüße, Wünsche, Entschuldigungen und Sehnsüchte, die hier ihre Manifestation gefunden haben, in den Himmel.

Gegen Ende der Woche habe ich Staub und Dreck an allen erreichbaren und unerreichbaren Stellen meines Körpers und würde wirklich gerne mal wieder duschen. Gemäß dem geflügelten Satz „The Playa provides“ bietet das Festival aber natürlich auch dafür eine Lösung. Floh und ich stellen uns beim Camp „Refoamation“ an und diese Refoamation wird dann das für mich wohl merk-würdigste (sic!) Erlebnis auf dem Burning Man: Nach langem Anstehen, das durch kleine Vorträge (Infoamation) zum Thema „Wie müssten wir Welt reformieren (bzw. refoamieren, das Wortspiel erklärt sich gleich), um sie für alle lebenswerter zu machen?“: Frauenrechte, Mitbestimmung, Legalisierung von Cannabis (mit Anschauungsmaterial) und so weiter und so fort, verkürzt wird, kommen wir in ein Zelt, in dessen Mitte ein großer Baum steht. Drumherum tanzen bestimmt 100 komplett nackte Menschen zu bouncy Tunes, die ein Hammer-DJ vom leicht erhöhten Rand auflegt. Dort am Rand, auf einem langen Podest, steht außerdem der berühmte Künstler (das habe ich erst im Nachhinein herausgefunden) Alex Grey mit seiner Frau Allyson, die einzigen, die hier leicht bekleidet sind, und zusammen malen sie live ein gigantisches Wandgemälde, auf dem tanzende Skelette mit neonfarbigen, LSD-mäßigen Liniennetzen an den Köpfen verbunden sind. Das eigentliche Highlight ist aber die Booth, eine aus Plexiglaswänden und –böden gebaute Zelle, in die auf Kommando je 30-40 Nackte strömen. In einer feierlichen Prozedur wird von 6 Menschen mit Gorillamasken, die auf einem Gerüst über der Zelle stehen, die Stimmung angeheizt, bevor sie literweise Schaum (daher all die Wortspiele mit „foam“) und Wasser aus dicken Schläuchen auf die hüpfende Menge verteilen, woraufhin sich alle Beteiligten laut kreischend gegenseitig ein- und abseifen und –spülen. Ein Segen für die geschundene Haut und den ganzen Körper, feels so fresh and so clean. Wer rauskommt, tanzt sich im Zelt trocken und wird wahlweise noch von guten Feen mit Kokosnussbutter eingerieben. Floh und ich haben Glück, die allerletzte Runde für dieses Jahr miterlebt zu haben, wir können noch eine Weile tanzen und dann wird die Refoamation bis 2017 geschlossen. Wir radeln nackt und erfrischt zum Camp zurück und erzählen begeistert Jona und Basti von der eben gemachten Erfahrung, die sich nun aber leider bis zum nächsten Mal Burning Man gedulden müssen, um das auch zu erleben.

Frisch gesäubert geht es dann auch schon in die letzte Phase des Festivals, die Burns, bei denen viele der Projekte aus Holz auf wunderbare Weise verbrannt werden. Der größte Burn ist natürlich der des Mans, alle haben sich am Samstagabend hier versammelt. 70.000, die im Kreis auf die kreative Zerstörung warten. Im Außenkreis haben sich nahezu alle Artcars versammelt und zeigen noch einmal, was sie können. Der Man Burn ist spektakulär, ein großes Feuerwerk, mit großem Getöse rauschen die Flammen an den Extremitäten auf und ab, legen erst die Man Plaza, das Podest und dann den Man selbst in Schutt und Asche, begleitet vom friedlichen Wummern der Artcars und Anfeuerungsrufen aus dem Publikum; der am öftesten vernommene lautet „Let go!“. Danach tanzen die Menschen im Kreis ums Feuer, manche sammeln Nägel oder Asche wie heilige Artefakte nach einem Martyrium, manchen springen über die immer noch recht hoch lodernden Flammen und die meisten schauen einfach anmutig in die Glut.
Noch in der selben Nacht brennen auch die Leuchttürme der „Black Rock City Lighthouse Services“ ab, das größte Kunstwerk in diesem Jahr, die Flammen sind hier grün und gleißend weiß eingefärbt (Kupfer, Magnesium?) und damit fast noch beeindruckender als die beim Man. Außerdem sind viele schon abgereist und daher sitzen deutlich weniger Menschen ums Feuer, wir können aus erster Reihe zuschauen.

Am Sonntag herrscht große Aufbruchstimmung, wir helfen einigen sehr lieb gewonnenen Nachbarn beim Einpacken, ich treffe noch einmal die Giraffen in ihrem Camp und wir entdecken last minute, jetzt wo es weniger Angebot gibt, noch zwei neue saugeile Tanzzelte, den Cirque Gitane und das Camp Ibiza. Dort dancen wir noch ein wenig ab und begeben uns zum Tempel Burn, welcher eine ganz andere Stimmung als die voherigen Burns triggert. Hier ist alles ruhig, niemand applaudiert oder johlt, es wird wohl der Ereignisse gedacht, die vorher an den Tempelmauern niedergeschrieben wurden. Trotzdem brennt die Struktur wunderschön ab und dieser innige Moment bildet auch einen guten Schlusspunkt für dieses geile Festival.

Wir fahren am Dienstagmittag wieder vom Gelände runter, kurz bevor der Exit geschlossen wird und das war wohl wieder eine gute Idee, denn im Gegensatz zu anderen, die uns von Schlangen mit Wartezeiten bis zu 7 Stunden am Ausgang berichten, können wir wieder einfach rausfahren und müssen nirgends warten.
Das Burning Man Festival war ein riesiger Wahnsinn (bzw. Sahnwinn)! Es war so viel los, dass wir es nicht mal geschafft haben, zur halben Boeing 747, die auf der Playa zu einem Technoclub umfunktioniert wurde, zu gehen, obwohl wir dieses Projekt im Vorhinein am meisten gehyped hatten. Es war einfach nicht genug Zeit für alles da und das war auch gut so. Lange werde ich von den Erinnerungen an diese zehn Tage zehren, vieles mitnehmen und versuchen in andere Kontexte zu tragen. Ich nehme mir fürs nächste Mal einige Dinge vor – weniger Party, mehr Tagveranstaltungen besuchen, weniger Robot Heart, mehr kleine Artcars auschecken, den coolen Kaugummi-Rucksack nachbauen, den einer auf dem Rücken hatte, ein Riesentrampolin mit ins Camp nehmen, eine Schirmmütze mit dem Universum und einem Raptor auf dem Schirm basteln und solcherlei Zeugs – und lege mich damit schon fest: Ich komme auf jeden Fall wieder nach Black Rock City, sobald die Umstände es erlauben!

West Coast Teil 1 und Nationalparks

Die erste Großstadt in den USA liegt nah an der Grenze: Seattle, ehemals sehr und immer noch ein bisschen hippe heimliche Hauptstadt des Staates Washington. Berühmt und bestimmt in den 60ern noch krass, siehe z.B. die sogenannte „Space Needle“, damals wohl allermodernste Architektur, wirkt heute etwas aus der Zeit gefallen. Berühmt für Starbucks, der erste Starbucks-Laden ist aber wirklich unspektakulär, wir landen zufällig drinnen und kommen nur aufgrund der langen Schlange darauf, dass dies hier ein besonderes Café der Kette, die in Europa keine Steuern zahlt, ist. Berühmt weiterhin für Windows, aber nachdem mein Computer nach Update auf das unsägliche Windows 10 ohne Rückfahrschein nun nach jeder Eingabe so um die zehn Minuten rechnet, haben Gates‘ Mitarbeiter Glück, dass keiner von ihnen uns in Seattle begegnet. Wir schlendern stattdessen über den Markt, auf dem sich vor allem interessante Meerestiere in den eisbedeckten Auslagen stapeln, von denen ich manche noch nie gesehen habe. Und genau hier, auf dem Markt in der Stadt, die auf dieser Reise bis jetzt am weitesten von meiner Heimatstadt entfernt liegt, begegnen wir einem Deutschen – soweit nichts Besonderes, wie das eben so ist, man erkennt sich an der Muttersprache, ärgert sich ein bisschen darüber, dass „hier schon wieder alles voller Deutsche“ sei und begrüßt sich dann doch kurz freundlich, indem man zum Beispiel ungefragt bis ungelenk in die Konversation der anderen Deutschen mit einsteigt und dabei am besten gleich noch seine Ortskenntnis demonstriert – der uns fragt, was wir hier machten und natürlich woher wir kämen und so finden wir heraus, dass er nicht nur auch selbst Berliner ist, sondern eben auch noch aus Reinickendorf kommt und das ist dann, obwohl er bereits vor Jahren ausgewandert ist, schon ein lustiger Zufall, „kleine Welt“ und so. Als wir ihm erzählen, wo wir schon überall waren und wie viele Wochen wir schon unterwegs sind, erwidert er nur erstaunt „Na Ihr müsst ja reich sein!“. Er stammt ganz offensichtlich aus einer Generation, in der langes Reisen, so wie wir es machen, noch unmöglich für junge Menschen wie uns, oder jedenfalls noch sehr unerschwinglich bzw. unüblich war. Kurz fühle ich den Globalisierungsgewinner in mir sich irgendwo bedanken. Zum Abschluss versuchen wir noch das Phänomen der Kaugummi-Mauer zu ergründen, aber wir können leider nicht herausfinden, wer hier wann den Trend gestartet hat, angekaute Kaugummis an die Wand zu pappen, bis diese komplett hinter dem bunten Kauwerk verschwunden war. Cool sieht es aber allemal aus.

Wir sind mittlerweile auf dem berühmten Pazifikhighway unterwegs, der die gesamte Westküste der USA herunterführt und zum großen Teil Highway 1, in Kalifornien zum Teil 101, heißt. Und der ist wirklich schön. Unterwegs eine Stippvisite in Portland, eine Stadt mit irgendwie Europäischem Flair, dann aber auch wieder überhaupt nicht, mit sehr vielen Food Carts und gratis Livemusik auf einem zentralen Platz. Glücklicherweise genau heute und genau jetzt gibt es die „Tunes at Noon“ und bei dieser von IKEA gesponserten Veranstaltung zieht es viele wohl arbeitende Menschen aus den Büros auf den Platz, um hier ihr Foodcartmittagessen zu verzehren und den Klängen lokaler „Stars“ – in Amerika ist der Weg zum „Star“ nicht so weit, dafür kommen darüber allerdings noch „Super-, Mega- und Gigastars“ – zu lauschen.

Danach fahren wir gleich weiter zum Cape Kiwanda, wo man mit dem Auto über eine Düne bis ans Meer fahren kann. Blöd ist nur, dass der Sand dort so plötzlich so weich wird, dass wir nach kurzer Zeit drin stecken bleiben. Hilfe lässt aber nicht lange auf sich warten, kurz nachdem wir die missliche Lage erkannt haben, kommen schon drei hilfsbereite Burschen aus South Dakota herbeigerannt und mit einem freundlichen „Helping out Minnesotans is our pleasure!“ auf den Lippen schieben sie mit uns das Auto an, bis es wieder festen Boden unter den Rädern hat.

Die Oregon Coast besticht durch abwechselnd urwaldige und strandige Abschnitte. An einer Bucht, um die besonders viele Autos parken, steigen wir auch aus, denn die Erfahrung bis jetzt hat uns gelehrt, dass es dann auch meistens was zu sehen gibt. Tatsache: In der Bucht tummeln sich „hunchbacks“, Buckelwale! Diese zu sehen, ist am Anfang schwierig, da sie immer nur für ein, zwei Sekunden auftauchen, aber mit der Zeit haben wir den Dreh raus und bleiben noch lange genug, um so einige Wale auf- und abtauchen, prusten und mit der Schwanzflosse wedeln zu sehen.
So arbeiten wir uns langsam aber sicher weiter in Richtung Kalifornien vor. Man merkt leider, dass die Tage kürzer werden, je weiter wir südwärts reisen, außerdem schreitet das Jahr ja auch unerbittlich voran, und so müssen wir immer Teile der spektakulären Küstenstraße im Dunkeln fahren, obwohl wir gerne alles sehen würden. Wir kochen viel dieser Tage und weil es oft sehr windig ist, haben wir eine neue Technik entwickelt, bei der wir den Gaskocher im windgeschützten Auto betreiben. Alles safe, Julius hat das schließlich studiert. Wir kommen an einem Supermarkt vorbei, welcher eine bemerkenswert lächerliche Marketing-Strategie für sich entdeckt hat, nämlich als „Grocery Outlet“ zu den durchschnittlichen Preisen ihrer Ware völlig überhöhte „elsewhere:“-Fantasiepreise zu schreiben, um damit den Kauf günstiger anfühlen zu lassen. Mich würde interessieren, bei welchen Menschen das im Kopf funktioniert. Wir kommen außerdem mit dem Schrecken davon, als uns des nachts ein Reh vor das Auto rennt. Glück gehabt, nicht erwischt.

Kurz vor San Francisco schauen wir uns im Nationalpark die mächtigen Redwoods an, die wahrscheinlich größten Bäume der Welt. In San Francisco angekommen, herrscht dort die ganze Nacht und den ganzen nächsten Tag so ein Nebel, dass wir die Hand vor Augen kaum erkennen können, geschweige denn die Golden Gate Bridge (selbst während wir drüber fahren) oder die hübsche Downtown-Skyline an der Bay. In San Francisco haben wir endlich mal wieder die Chance, uns nachts auszustrecken. Hier dürfen wir nämlich bei Jim, Paris und Austin im Wohnzimmer übernachten, welche Freunde von Alex Laskaris sind. Die drei haben eine supergeile Wohnung in einem der bunt angestrichenen viktorianischen Häuser am Alamo Square, den sogenannten „painted ladies“, die eine der Attraktionen des Stadtbilds darstellen. Wir haben eine super Zeit dort, kochen zusammen, hören aus Jims Plattensammlung, was er gerade so rauszieht, unter anderem Chinesische Opern und deutsche Weihnachtslieder. Besonders freue ich mich, als ich herausfinde, dass Austin und Jim wie ich auch zum Burning Man Festival fahren. Die beiden haben sich mit zwei Freunden ein größeres Projekt vorgenommen und werkeln im Box Shop an ihrem „geodesic dome“, einer aus sehr vielen Stangen und Brettern zusammengeschraubten, riesigen Kuppel, in der sie in Hängematten schlafen wollen. Wir besuchen Jim in der Werkstatt und sehen, wie hier für das Festival in 3 Wochen von vielen kleinen Teams so richtig was wegvorbereitet wird. Eine Metallkonstruktion überragt die andere und an allen Ecken und Enden wird geschweißt, gesägt, gebohrt und zusammengesetzt. Dies steigert meine Freude auf das Festival nochmal, weil ich nun die ganze Crazyness dieses Festivals, vorher nur von Bildern und aus Berichten bekannt, zum ersten Mal zum Greifen nah erlebe.
Außerdem treffen wir in San Francisco Raika, unsere Freundin und (mittlerweile leider ehemalige) Mitbewohnerin aus Berlin, spazieren zusammen durch den Golden Gate Park und Land’s End und essen in Chinatown zum Mittag. Wir gehen im mittlerweile gentrifizierten Mission District shoppen und ich zeige Julius bei einer kleinen Tour den Bezirk Castro. Am Ende unseres viertägigen Aufenthaltes haben wir also alles von San Francisco gesehen, bis auf die Golden Gate Bridge, welche sich – saisonbedingt, wie wir immerhin mittlerweile erfahren haben, das tröstet ein wenig – immer noch geheimnisvoll in Nebel hüllt.

Nach diesem Städtetrip wartet nur einige Meilen die Küste hinunter nun wieder ein Abenteuer ganz anderer Art auf uns: Big Sur, das meiner Meinung nach schönste Stück Küste der Welt. Es ist schön wieder hier zu sein, die Stimmung ist jedoch etwas gedrückter als beim letzten Mal, da gerade Waldbrände wüten und viele Menschen ihr Zuhause verloren haben. Das sieht man sofort an den vielen – teils professionell gedruckten, teils handgebastelten – „Thanks Firefighters!“-Schildern an den Ortseingängen. Das sieht man auch am Rauch, der von mehreren Brandherden die Abhänge zur Küste herunterweht. Und an den vielen für Besucherverkehr gesperrten Parkplätzen direkt am Küstenhighway, die zugeparkt sind mit Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr, auf denen kleine Trupps von gelb gekleideten firefighters ihre Meetings und Briefings abhalten. Man riecht es sogar: Obwohl meine Nase seit mehr als einer Woche verschnupft und verstopft ist und ich beim Essen kaum noch etwas schmecke, kommt dieser Geruch den Rezeptoren noch alarmierend genug vor, um im Gehirn „Gefahr“ zu signalisieren. Durch die große Präsenz der Feuerwehr sieht es aus, als wäre das Feuer einigermaßen eingedämmt, tatsächlich sind wohl aber erst 6% der brennenden Fläche unter Kontrolle. Eines Nachts können wir den glimmenden Wald sogar von der Straße beobachten. Trotzdem enttäuschen die Henry Miller-Gedenkbibliothek, die Sonnenuntergänge und vor allem die Ausblicke auch diesmal nicht. In Carmel-by-the-Sea bekommt man erfahrungsgemäß besonders schöne Sonnenuntergänge zu sehen und so sind wir erst einmal etwas enttäuscht, als wir an einem bewölkten Strand stehen und von der Sonne so gar nichts zu sehen ist. Diese Enttäuschung verfliegt aber schnell, als statt der Sonne ein paar Delfine auftauchen und ihre Abendschwimmrunden in der Bucht drehen. Mit der Übung, die wir bei den Buckelwalen einige Tage vorher gesammelt haben, können wir die Tiere ganz gut aufspüren und eine Weile lang beobachten.

Dann kommen wir in L.A. an. Irgendwie bin ich gerne hier. Es gibt so viele verschiedene L.A.s, ein bisschen wie in Berlin, viele Kieze, nur mit noch viel größeren Unterschieden zwischen diesen Bezirken als zuhause. Wir ziehen kurz auf den Walk of Fame und an den Strand und bald darauf müssen wir dann auch schon zum LAX (Sprich: Lachs), um Sebastian abzuholen. Puh, da haben wir es doch noch rechtzeitig geschafft. Dass wir am Flughafen dann doch noch stundenlang auf Basti warten müssen, da dieser im Hinterzimmer von Officer Fernandez verhört wird, ist eine andere Geschichte. Basti hat sie auf seinem Blog erzählt.

Als wir den von einer durchfeierten Nacht, einem langen Flug und einem Spezialverhör sichtlich gezeichneten Atzen hinten ins Auto laden, pennt uns der sofort weg. In der Ruhe der Nacht rollen wir dann direkt wieder raus aus der Stadt und rein in den Yosemite Nationalpark. Dort gibt es viele große Steine, für Kletterer muss es ein Paradies sein, und einen hübschen See. Nett anzusehen, aber mir dann doch etwas zu abgekultet und Yosemite kann vor allem gegen die anderen, gigantischen Nationalparks der USA nicht anstinken. Das Schlafen im Auto zu dritt klappt einigermaßen okay, wenn wir Kopf an Fuß liegen (der falsch herum liegende Mittelplatz wird in der ersten Nacht per Sching-Schang-Schong vergeben und fortan jede Nacht rotiert), eng ist es aber allemal. Damit wir keine Campingplatzgebühren bezahlen müssen, quetschen wir uns aber trotzdem einfach zu dritt ins Bett und stellen das Auto auf einem Parkplatz ab. Am ersten Morgen im Yosemite erwache ich um kurz nach 6, mein Bett bewegt sich und das ganze Auto dazu. Ein kurzer Blick verrät mir, dass sich Basti hinters Steuer geklemmt hat und Julius und mich einfach im Bett liegend auf einen anderen Stellplatz umparkt, weil wir von Forstarbeitern verscheucht wurden, die ihm erklärt hätten, dass wir leider mitten in der zukünftigen Baustelle geparkt hätten. Basti ist dank Jetlag schon wach und setzt dann einfach kurzerhand um – ein Mann der Tat!

Weil wir Raika in L.A. noch einmal treffen wollen, war der Yosemite roundtrip aber eh nur ein Abstecher und nach 3 Tagen sind wir schon wieder zurück in der Stadt der Engel. Diesmal können wir aber coolerweise direkt mit in ihrem Hotel schlafen und so bekommen unsere Rücken mal für zwei Nächte wohltuende Marriot-Matratzen zu spüren und man kann sich in den großen Betten auch mal umdrehen, ohne gleich die gesamte Mannschaft aufzuwecken. Wir verleben zwei tolle Tage voller Strand und Essen und Olympia gucken und gucken uns, nicht mehr alle von uns komplett nüchtern, die Kunst im Getty Center und das Center an sich, sehr schön auf einem Hügel gelegen und nur mit einer kleinen Tram zu erreichen, an.

Ein Highlight jagt im Moment das andere und da ist es ganz gut, dass unser nächster Stopp Las Vegas mal auf ganzer Linie enttäuscht. Wobei „enttäuscht“ irgendwie auch wieder das falsche Wort ist, dazu müsste man ja Erwartungen gehabt haben. Es ist einfach ziemlich uncool hier. Wir tigern zwei Tage lang über den Strip, es ist viel zu heiß und alles viel zu teuer. Ständig bekommen wir als Gruppe von drei Jungs Drogen und Titten feilgeboten, das Ablehnen und Abwimmeln nervt nach einiger Zeit erheblich. Zudem versuchen wir zuerst, im Parkhaus des Bellagio im Auto zu übernachten, was sich bei 45°C aber als dumme bis sehr dumme Idee entpuppt, woraufhin wir auch noch gut angeknallt einmal durch die Stadt umparken müssen und in der anschließenden „Nacht“, die eigentlich längst Tag ist, Motor und Klimaanlage auf höchster Stufe laufen lassen müssen, was die Tankfüllung um mehr als ein Drittel dezimiert. Wir machen noch die Standard-Tourimoves, ich setze beim Roulette den Mindesteinsatz auf Schwarz (danke Merlin für den Tipp), gewinne und verspiele den Gewinn danach in 3 weiteren Partien sofort wieder. Außerdem noch ein schnelles Foto vor dem „Welcome to fabulous…“-und-so-Schild, weil wir besonders kreativ sind und uns die Schlange(!) schenken wollen, aber einfach mal von der Rückseite, die sich da liest „Drive carefully – come back soon“. Nein danke, weder noch.

Weiter, immer weiter, nun endlich wollen wir mal diese ganzen Naturwunder sehen, für die die Landschaft Amerikas so berühmt ist und die ein Hauptgrund für mich waren, überhaupt herzukommen. Auf dem Weg zum Zion Canyon liest Julius aus dem Lonely Planet vor: „Juli und August sind normalerweise die regenreichsten Monate“ und kaum hat er den Satz fertig gelesen, fängt es an zu schütten und wir finden uns mitten in einer Sturmflut wieder, welche die Straße in einen, aufgrund des roten Bodens rot-braunen, Fluss verwandelt. Wir können uns auf einen halbwegs trockenen Parkplatz flüchten und das Ende des Schauspiels abwarten. Der Zion Nationalpark ist supergeil. Mit einem Shuttlebus fahren wir bis zum Angel’s landing Wanderweg, hier klettern wir an Ketten auf einem schmalen Grat in schwindelerregenden Höhen, bis zu der Stelle, wo in irgendjemandes Fantasie die Engel gelandet sind. Leider setze ich noch meine blöde Idee durch, unseren fliegenden Ring von oben auf die 300m tiefer liegende Straße herunter zu werfen, beziehungsweise dies zu versuchen, denn natürlich scheitere ich kläglich, der Wind erfasst das Fluggerät nach wenigen Metern und es verabschiedet sich auf Nimmerwiedersehen in die Weiten des Canyons. Keine Chance, den jemals wieder zu finden. Dann müssen wir ab jetzt halt Football spielen.

Auf den Zion folgt der Bryce Canyon und der ist landschaftlich auf jeden Fall mit das Verrückteste, was ich in meinem Leben je zu Gesicht bekommen habe. Am „inspiration point“ breitet sich vor dem (auf jeden Fall inspirierten) Zuschauer ein natürliches Amphitheater mit hunderten von „hoodoos“, dünne, schmale aber hoch aufschießende Felsen, die ein wenig an Finger erinnern, neben- und voreinander aus. Gerne würde ich diesen Eindruck mit noch viel mehr Worten würdigen, aber sowas fällt mir ganz schwer zu beschreiben, außerdem ist dieser Park meiner Meinung nach etwas, das jeder Mensch mal gesehen und gefühlt haben sollte. Schaut Euch die Bilder an, um einen Eindruck zu bekommen, aber besucht auf jeden Fall einmal im Leben den Bryce Canyon. Muss man gesehen haben!
Abends sneaken wir ins Monument Valley, das „MV Arizonas“, nur dass hier keine grauen Hochhäuser dicht gedrängt stehen, sondern rote Felsen in einer roten Wüste. Die sind aber fast genauso hoch. Wir erkunden den Park der Native Americans hauptsächlich autofahrend auf einem 17 Meilen langen „scenic drive“ über eine Sandpiste, die für unseren Dodge van wahrscheinlich eine üble Zumutung ist. Ständig finden wir durch den Sucher der Kamera neue Felsformationen und Porno-ramas (so bezeichnet Basti ein Panorama, welches in der Lage ist, spontane Orgasmen beim Betrachtenden hervorzurufen). Immer wenn man denkt, dass man jetzt wirklich das ultimative Bild hat, kommt um die Ecke ein noch beeindruckenderes. Kein Wunder, dass hier viele Western gedreht wurden, die Landschaft bildet DIE Westernkulisse schlechthin.

Der Grand Canyon ist, wie der Name schon suggeriert, vor allem: groß. Da wir nicht mit ausreichend Zeit und vor allem Ausrüstung ausgestattet sind, entscheiden wir uns gegen eine Wanderung bis ins Tal. Diese würde mindestens zwei Tage in Anspruch nehmen, eine Übernachtung im Canyon erfordern und abgesehen davon auch bei den weiter unten herrschenden Temperaturen von bis zu 50°C ganz schön an die Substanz gehen. So wandern wir auf der schöneren der beiden Wanderrouten, die an der south rim (der Südkante des Canyons) starten, bis zum Skeleton Point, in welchem die auf der Karte gelb dargestellte Subkomfortzone langsam in die rote Gefahrenzone übergeht. Der Canyon in seiner schieren Riesigkeit und mit den hübschen Farben ist auf jeden Fall beeindruckend, nach drei anderen Nationalparks in der letzten Woche aber nicht mehr so überwältigend, wie er vielleicht für jemanden ist, der nur oder zuerst hier her kommt. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich sagen, dass mich der Bryce Canyon am meisten beeindruckt hat.

Lange überlegen wir, ob wir überhaupt zum „Four Corners Monument“ fahren sollen. Laut Rezensionen aus dem Netz werden die $5 Eintritt durch nichts gerechtfertigt. Unser Kompromiss besteht dann schließlich darin, dass wir Julius auf der Rückbank unter einem Haufen Decken und Rucksäcken verbuddeln und an der drive-through Kasse mit unterdrücktem Lachen für zwei bezahlen. Das Monument lässt unser schlechtes Gewisse auch schnell wieder abklingen, es kann, wie zu erwarten war, nicht viel. An der einzigen Stelle der Welt, an der 4 Staaten in einem Punkt aufeinandertreffen, ist in den Boden eine Platte eingelassen, die die Grenze nachzeichnet und beschreibt wo die Territorien von Utah, Arizona, New Mexico und Colorado verlaufen, dahinter sind die entsprechenden Flaggen gehisst. Wir spielen eine Runde Twister („linker Fuß auf Colorado…“) und hauen wieder ab. Auf dem Weg in Richtung Grand Canyon finden wir noch einen Stand der Navajo, die an der Straße selbst geerntetes Obst und Gemüse verkaufen und kleine Gerichte kochen, die billig sind und lecker.

Nach den ganzen Wanderungen und dem Bestaunen von so viel Natur, sind wir froh in Prescott, Arizona bei Lydia, einer alten Freundin meiner Großtante Hannelore übernachten zu dürfen. Hier können wir mal einen Tag und eine Nacht richtig ausspannen. Zudem zeigt uns Lydia ihre Wahlheimat, ein gut erhaltenes Western-Städtchen mit Saloons und allem Drum und Dran. Wir gehen ins Sharlot Hall Museum, welches in restaurierten Originalgebäuden, dem ehemaligen Wohnsitz des Governors, Zeugnis über die Zeit des Goldrausches und der „Kolonialisierung“ dieser Ecke hier ablegt.


Auf der Weiterreise streikt meine VISA-Karte plötzlich. Als ich bei der Bank anrufe, um zu fragen was da los ist, fragen die mich, ob ich denn wirklich in den letzten Wochen in den folgenden (es wird aufgezählt) 15 Staaten plus Kanada eingekauft hätte. Dem Algorithmus war mein Gebaren wohl etwas suspekt und so hat er kurzerhand meine Karte gesperrt. Ich erkläre, dass das alles schon so seine Richtigkeit hat und gebe, als ich gefragt werde, in welchen Staaten ich mich denn vor hätte demnächst aufzuhalten, großspurig an: „Alle“. Danke und weiter.

Schon müssen wir wieder nach Los Angeles, diesmal, um Julius zu verabschieden. Einen Tag lang checken wir noch kurz die Hood in Compton ab, genießen noch ein bisschen den Strand und packen seinen Koffer. Netterweise nimmt Julius eine ordentliche Menge Zeug von mir mit nach Hause, da ich mittlerweile wohl mindestens 2,5 Stück Aufgabegepäckfüllungen gesammelt habe. Am LAX, wo wir vor gut zwei Wochen Basti empfangen haben – Gott ist das alles schon wieder eeeewig lange her – schicken wir nun Julius mit den besten Wünschen heim nach Berlin. Julius war der beste Reisekumpel, den ich mir für den Start dieses Abenteuers hätte wünschen können. Wahnsinn, was wir alles zusammen erlebt haben. Julius, wenn du das liest: Ich hab Dich ganz doll lieb (und dein Geld bekommst Du auch wieder, ich schwöre)!

Viel Zeit, Julius nachzutrauern bleibt allerdings nicht, denn auf direktem Weg fahren wir vom Flughafen nach San Francisco, wo Jona und Floh bereits seit 2 Tagen auf uns warten. Direkter Weg bedeutet nicht die schöne Küstenstraße hoch, sondern den I-5 und auf dem staut es sich mal wieder stundenlang. Obwohl wir pünktlich um 17 Uhr in L.A. losfahren, dauert es so bis 5:30 Uhr am Morgen, dass wir die halb erfrierenden Atzen an einer Bushaltestelle einsammeln und im Auto auf Betriebstemperatur erwärmen können. Aus dem Hotel Capitán haben die beiden zum jetzigen Zeitpunkt bereits ausgecheckt, da wir ja eigentlich am Abend ankommen wollten. Wir pennen an der Golden Gate Bridge und zwar, neuer Rekord, zu viert im Auto. Dazu quetschen wir uns oben wieder zu dritt und räumen dazu einen der unteren beiden Stauräume komplett aus, in den sich Jona auf einer Isomatte kauert. Wenigstens zeigt sich die Brücke am nächsten Morgen und der Nebel, der mich mit Julius noch verfolgt hatte, hat sich etwas gelichtet.
Wir vier brauchen mehrere volle Tage, um uns auf das Burning Man Festival, der Hauptgrund für das Dazustoßen der beiden neuen Mitreisenden, vorzubereiten. Wir kaufen und verkaufen Fahrräder und Fahrradgepäckträger, Schutzbrillen, Staubmasken, Einhörner, Lichter und Tütüs. Das zieht sich, wir müssen durch die gesamte Bay Area gurken, um Craigslist-Menschen zu treffen und im Internet immer wieder gegenchecken. Am Ende haben wir uns eine Strategie und das Grundmaterial zurechtgelegt, mit dem wir die Wüste überleben werden. Hoffentlich. Dann haben wir endlich nochmal Zeit für etwas Urlaub vom Urlaub, fahren schon wieder kurz nach Big Sur und zum wunderschönen Sorona-Pass, wo wir am Morgen von Armee-Kolonnen geweckt werden, die hier natürlich genau heute ihr großes Sommermanöver starten müssen.

Am Samstag fahren wir zum Burning Man.

Kanada: Unendliche Weiten

Die Niagara Fälle sind die wohl mächtigsten Wasserfälle der Erde und damit nicht nur ein Land sich damit schmücken kann, liegen sie genau an der Grenze zwischen den USA und Kanada. Die bessere Aussicht soll man laut Lonely Planet und persönlichen Erfahrungen von Freunden von der kanadischen Seite aus haben und so machen wir direkt rüber, was auch ganz einfach funktioniert, die Rückeinreise in die USA wird vermutlich nicht so schnell gehen. Der Anblick ist schon sehr gewaltig, die stürzenden Wassermassen werden auf einem 200° umspannenden Halbkreis aus Felsvorsprüngen förmlich eingesaugt, nach unten, in ein Wasser fressendes Loch. Natürlich müssen wir uns diesen Anblick mit 2794 anderen Menschen teilen, aber zum Glück ist ja genug Wasser für alle da. Außerdem werden wir uns vielleicht noch nach Menschenmengen zurücksehnen, sobald wir durch die menschenleeren Bundesstaaten in der Mitte Kanadas gereist sein werden.

Und dann geht es in die unendlichen Weiten Kanadas. Wir haben an der Ostküste länger verweilt als im groben ursprünglichen Plan vorgesehen war, und daher müssen wir uns jetzt langsam mal ein bisschen beeilen, um noch etwas von der Westküste sehen zu können. Schon in 20 Tagen müssen wir Basti in L.A. abholen. An einigen Tagen fahren wir also so lange, wie es eben geht. Bis zu 1000km reißen wir an den intensivsten Tagen runter. Naiverweise hatte ich vor ein paar Wochen allein auf dem Weg von Minnesota nach NYC noch angenommen, dass ich mit Julius ja zu zweit am Steuer wechseln könnte und daher doppelt so viel Strecke machen könnte, wie meine 600km am Tag. Diese Rechnung geht natürlich nicht auf, 1000km täglich ist irgendwie das kräftemäßige Maximum.
Eines Nachts werden wir erst längere Zeit von einem Polizeiauto verfolgt, bis es schließlich an uns vorbeizieht, vor uns zum Stehen kommt und uns somit auch zum Anhalten zwingt. Ob wir das Licht nicht gesehen hätten, fragt der Polizist und bereits recht unwirsch. Wir fragen nach, um sicherzugehen: Welches? Daraufhin kommt sich der Cop endgültig verarscht vor: „Was meinst Du welches? Das, was wie ein blinkender Weihnachtsbaum leuchtet!“ Achso, die Sirene. Ja war uns schon aufgefallen, wir haben aber anscheinend die falschen Schlüsse gezogen und sind einfach schön langsam und geradeaus weitergefahren. Hier in Kanada muss man jedenfalls anhalten, wenn hinter einem die Polizei das Blinklicht einschaltet. „Das ist zuhause bei uns ganz anders!“ können wir glaubhaft vermitteln, bei uns würden die Polizeiautos eine Leuchtschrift mit „Anhalten“ durchlaufen lassen. Stimmt das überhaupt? Wie auch immer, wir kommen nach Vorzeigen unserer Papiere ungeschoren davon.

Als wir am nächsten Tag an einem Schild vorbeifahren, welches den longitudinalen Mittelpunkt Kanadas anzeigt, erschrecke ich etwas. Wir sind ja lange nicht am östlichen Ende des Landes losgefahren und nach 2 Tagen brutalen Meilenmachens sind wir noch nicht einmal auf halbem Weg Richtung Vancouver? Das wird wohl noch einige Tage so weitergehen müssen. Zwischendurch kommen wir an so lahmen bis sehr lahmen Orten wie Winnipeg vorbei. Immerhin greifen wir bei einer Kennenlern- oder Abschlussfeier eines Unijahrganges einen Fusi ab. Und weiter auf dem Trans-Canadian Highway…

…111, 112, 113. So viele Waggons hat der Zug, der gerade an uns vorbeifährt. So lang sind die alle!
Mit Calgary erreichen wir nach langer Zeit im Flachland wieder eine vergleichsweise spannende Stadt. Wir kommen auch genau zur rechten Zeit, denn es ist das letzte Wochenende der „greatest outdoor show on earth“, die Calgary Stampede. Dort gibt es neben allerlei Standard-Rummel- und –fressbuden einige witzige Cowboy-Shows. Den Höhepunkt bildet das Rodeoturnier, welches dann doch und ein kleines bisschen wider Willen (ist das schon Tierquälerei?) faszinierend anzusehen ist. Hier wird auf Pferden und Bullen geritten, teilweise ohne Sattel, und es werden Stiere in Rekordzeit mit dem Lasso eingefangen. Leider fängt es nach der Hälfte so stark an zu regnen, dass wir die Finals nicht mehr anschauen können.
Von Calgary ist es nicht mehr weit, bis wir den eigentlichen Grund unseres „Abstechers“ nach Kanada erreichen. Die Rocky Mountains kündigen sich mit ein paar Hügelketten sanft an, verschwinden kurz wieder vollkommen, nur um schlussendlich in ihrer ganzen rauen Schönheit und Steilheit wie eine Wand vor dem Horizont aufzutauchen. Wir fahren in den Banff Nationalpark. Das Schild am Eingang mahnt, die Bären dürfen nicht gefüttert werden. In und um Banff gibt es wunderschöne, sehr blaue Seen zu sehen. Wir ärgern uns über die zahlreichen Selfie-Touristen, welche um diese Jahreszeit die Ufer des Lake Louise bevölkern, bevor wir selber ein Selfie machen. Es gibt im ganzen Park viele Wanderwege unterschiedlichster Länge und Schwierigkeitsgrade. Wir entscheiden uns für einen Halbtagesaufstieg, welcher hinter dem Lake Louise zu einem Gletscher hochführt. Auf dem Rückweg zum Campingplatz gibt es einen kleinen Grizzly-Bären zu bestaunen. Dieser wandert gemütlich ganz nah an der Straße entlang und verursacht dann auch gleich den im Reiseführer beschriebenen „bear jam“, einen Stau, der entsteht, weil alle Selfie-Touristen ein Foto vom Bären schießen wollen und ihr Auto einfach irgendwo am Straßenrand abstellen, so wie wir, oder noch besser gar nicht erst von der Straße herunterfahren, sondern anhalten und den Bären aus ihrem Auto fotografieren, ohne sich daran zu stören, dass sich hinter ihnen der Verkehr bis an den Horizont staut.
Im Auto schläft es sich weiterhin ganz gut, wir finden immer entweder Campingplätze oder sogar Parkplätze, auf denen wir kostenlos übernachten können. Wie das allerdings funktionieren soll, sobald wir mit Basti noch eine dritte Person unterbringen müssen, darüber zerbrechen wir uns ein wenig den Kopf, kommen jedoch noch zu keiner Lösung. Das Zelt, welches wir zum Auto dazubekommen haben, ist leider kaputt.
Im Jasper Nationalpark gibt es endlich etwas weniger Menschen. So konnten wir z.B. noch einen Platz auf dem „richtigen“ Campingplatz ergattern und nicht auf dem sog. „overflow“, den alle Campingplätze hier im Sommer öffnen.
Heute haben wir übrigens den Zählerstand von 5555.5 Meilen gerissen und erreich kurz darauf Vancouver.
Vancouver ist auf jeden Fall die schönste Stadt in Kanada. Wir hängen mit ein paar lokalen Druffis im Park ab und gönnen uns gutes und ein bisschen verrücktes Essen, so wie z.B. Japadogs, eine Fusion aus fernöstlicher und nordamerikanischer Küche.

Mit der Fähre verschiffen wir uns plus Auto auf Vancouver Island. Sobald man es hier aus der Provinzhauptstadt Victoria heraus geschafft hat, gibt es vor allem ganz viel Urwald. Wir fahren in den südlichen Teil der Insel, biegen kurz vor dem touristenvollen Ort Tofino ab ins beschaulichere Ucluelet und spazieren dort den wunderschönen Wild Pacific Trail entlang. Außerdem finden wir hier am zweiten Tag den wohl bisher coolsten, wilden Campingplatz indem wir nur unweit der Straße einfach mal in einen Schotterweg einbiegen und auch weiterfahren, als es sehr eng und rumpelig wird, bis wir an einer kleinen Lichtung direkt am Wasser landen.
Morgens erfrischen wir uns noch kurz in dem eiskalten Gebirgsfluss und begeben uns zurück in die Stadt. Unser Kanada-Abenteuer endet in der Nacht des selben Tages bei der US-Grenzbeamtin Garfield, die es gar nicht so gut findet, dass ich mit meinem J-1 Visum wieder einreisen möchte. Nachdem wir ihr in halbstündiger mühevoller Kleinarbeit erklären können, dass in der heutigen Arbeitswelt manche Menschen nicht mehr jeden Tag in ein Büro gehen müssen, um Arbeit erledigen zu können und das deswegen mit meinem Arbeitsvisum alles schon so seine Richtigkeit hat, lässt sie uns schließlich wieder rein ins gelobte Land, „in dem sich Menschen für billigste Elektronik erschießen“.

So, jetzt tut mir meine Hand weh. Händisches Schreiben ins Tagebuch macht mir keinen Spaß mehr, spätestens seit an der U.S.-Uni alles, sogar die Essays in den Klausuren, am Computer geschrieben wurde. Handarbeit nur noch beim MC-Ankreuzen. Bis zum nächsten Mal!

East Coast

Nachdem ich den zweitschlimmsten persönlichen Verkehrsinfarkt meines Lebens überstanden habe – an den erstschlimmsten in Istanbul kam dann auch diese Erfahrung nicht ganz heran – freue ich mich ungemein, im Halbdunkel endlich vor dem Haus von Alex und Moira in Brooklyn anzukommen und ganz leicht einen Parkplatz zu finden. Geht doch! Die beiden sind so unglaublich liebe, entspannte und freundliche Menschen, dass es mir sofort ganz gemütlich wird. Beide kommen ursprünglich aus Minnesota und sind dann für Job bzw. Masterstudium in den großen Apfel gezogen. Alex zeigt mir den besten Pizzaladen in der insgesamt sehr hippen Nachbarschaft. Auf dem Rückweg kommen wir am Auto vorbei und „dödümm“, natürlich war der Parkplatz von vorhin ein wenig zu einfach zu finden gewesen. Ein grauer Hydrant hat sich geschickt getarnt neben mein Auto auf den Bürgersteig geschlichen und ich soll jetzt $115 bezahlen, weil die Feuerwehr, wenn sie denn kommen müsste, kein kaltes klares Wasser mehr zapfen könnte, ohne die Karre vorher wegzumachen.
Am nächsten Tag fahre ich aufgeregt zum Flughafen, um Julius abzuholen und fortan meinen Trip nicht mehr allein bestreiten zu müssen. Ein schöner Moment, als wir uns nach fast einem Jahr plötzlich am JFK wiedersehen! Gemeinsam verbringen wir die nächsten Tage radelnd durch Manhattan und Brooklyn und oh my gosh, gibt es hier viel zu sehen, hören, riechen, erfahren. Wir finden eine ganz gute Mischung aus Touriprogramm und etwas weniger Standard-Kram. Natürlich fahren wir per Fähre an der Freiheitsstatue vorbei und erklimmen per Fahrstuhl das One World Trade Center, um die Vogelperspektive auf die Stadt selbst zu erleben. Wir besuchen das MoMA und erkunden Chinatown & Little Italy, Williamsburg und das Ukrainian Village, kehren in einige Bars und Restaurants ein, finden einen versteckten Garten mitten in der Stadt und erobern uns so Viertel für Viertel dieser unglaublich großen Stadt.
Vor allem aber versuchen wir, an jeder Ecke den spirit der Stadt einzusaugen. Ich behaupte mal, mir gelingt das ganz gut und ich verliebe mich in die Stadt. Natürlich muss man aufpassen, nicht verloren zu gehen zwischen hupenden Taxifahrern, riesigen Wall-Street-Türmen und rauchenden Gullyschächten. Wenn man aber weiß, was man möchte, dann bekommt man das in NYC auch. Bei Resident Advisor stoßen wir zufällig auf eine halbprivate rooftop party, gleich um die Ecke unserer Wohnung. Julius schneidet mir noch schnell auf dem Brooklyner Bürgersteig die Haare und dann schleifen wir Alex und Moira mit und können so den Sonnenuntergang über der Stadt vom Dach zu endlich mal guten elektronischen Klängen bestaunen. Der nächste Katermorgen eignet sich wunderbar, um unter praller Sonne in der Schlange für die Gratis-Tickets für das beliebte Schauspiel „Shakespeare in the Park“ erst den Rausch auszuschlafen und dann Frühstück delivery zu bestellen. Koordinierend wirkt hierbei Charlotte, eine gute Freundin aus Minnesota, New Yorkerin die wir hier noch 2-3 mal getroffen haben, schön sie noch einmal gesehen zu haben. Das eigentliche Stück am Abend, „the taming oft he shrew“ performt von einer rein weiblichen Crew, ist dann ganz cool anzuschauen aber auch nicht das aller-merk-würdigste Erlebnis.
Mehrere Tage lang entschließen wir uns, „noch einen“ weiteren Tag in dieser Stadt zu bleiben, die uns in ihren Bann gezogen hat und so verlängern wir nächteweise unser Schlafsofa bei Alex und Moira, ohne dass diese sich über die mangelnde Privatsphäre beklagen würden. Am Wochenende kommt sogar noch Alex‘ Bruder Perry zu Besuch und dann gibt es in der gesamten Wohnung endgültig kein Fußbreit freien Boden mehr. Am Ende haben wir nach über einer Woche Alex‘ und Moira’s Gastfreundschaft wirklich arg strapaziert. Tausend Dank ihr beiden, dass ihr uns so nett aufgenommen habt!

Von NYC fahren wir nach Philadelphia, Pennsylvania. Unser erstes Mal „im Auto schlafen“ ist einigermaßen malerisch in einem State Forest gelegen und fühlt sich nach großer Freiheit an. Weniger komfortable Nächte sollen folgen. Wir verstehen in Philly kurz und knackig die U.S.-amerikanische Unabhängigkeit indem wir einige Museen und ganz doll wichtige Artefakte besichtigen und wandern unter brennender Sonne durch die Innenstadt. Ohne ein einziges Cheesesteak gegessen zu haben, sind wir satt von Philly und machen wieder los.
Wir kommen in Washington D.C. pünktlich am 3. Juli, also einen Tag vor dem Nationalfeiertag 4th of July an. Leider kommt mit uns auch und ebenso pünktlich der Regen in Strömen in die Stadt. Die National Mall gleicht einem Regenwasserbaufeld am Nil. So hangeln wir uns von Unterstand zu Unterstand, können aber wenigstens ein paar Monumente – regelrechte Schreine – besichtigen, die hier für Amerikas ganz Große, also Washington, Lincoln und Co., erbaut wurden. Das Weiße Haus ist architektonisch ganz nett, mehr kann man dazu mangels Betrachtung aus der Nähe eigentlich nicht sagen. Als wir in der Nacht in einem National Park innerhalb der Stadtgrenze übernachten wollen, werden wir mitten in der Nacht nett aber bestimmt von einem Polizisten geweckt und verscheucht und müssen auf den nächsten Walmart-Parkplatz ausweichen. Am großen Datum 7/4 treffen wir mit Zack Laskaris den dritten Bruder dieser so unglaublich großzügigen und hilfreichen Familie. Zack ist bei Freunden Daniayla und Michael aus seiner College-Zeit einquartiert und nachdem wir uns von ebendiesen zu leckerem Essen haben führen lassen und zusammen das Feuerwerk, leider nur im Fernsehen, da die Rooftop-Bar doch keine gute Sicht auf das Spektakel bot, bestaunt haben, nehmen sie uns kurzerhand mit zu sich nach Hause und wir haben mal wieder für eine Nacht ein richtiges Bett.
Unsere Zwei-Mann-Karawane zieht nun wieder nordwärts und nach einem ersten längeren Autotag erreichen wir die Universitätsstadt New Haven. Hier arbeitet Julius‘ Hockey-Kumpel Bruno mit den Yale-Medizinern an einem Forschungsprojekt zur automatischen Tumorerkennung durch einen Computer-Algorithmus. Ziemlich verrückt, sehr spannend und natürlich vor allem total „cutting edge“. Wir hängen ein paar Tage bei Bruno ab, der uns die mächtige Uni zeigt, eine der Bibliotheken auf dem Campus hat etliche eingelegte Gehirne im Keller!, uns zum Squash mit in die Uni-Sporthalle schmuggelt, und uns vor allem vielen weiteren coolen Menschen vorstellt. Eines Abends lernen wir bei einem Umtrunk bei Bruno so auch Beatriz und Gonzalo kennen, die uns wiederum in Boston beherbergen werden. New Haven war insgesamt ein fantastischer Stop, mit dem kleinen Wermutstropfen des Ausscheidens der DFB-Jungs gegen Frankreich, welches wir in einer Kneipe in der Nachbarschaft mit einer überraschend großen deutschen Community betrauern.
Nahtlos weiter geht es mit wunderbaren Menschen und Erfahrungen, als wir weiter nach Boston fahren. Die vorher bei Bruno kennengelernten Spanier Bea und Gonzalo bereiten uns ein Lager in ihrer hübschen Wohnung gelegen in Cambridge, ziemlich genau auf halber Strecke zwischen den Campus von MIT und Harvard. Gleich am ersten Abend haben wir das Glück, mitgenommen zu werden in einen portugiesischen Club, in dem wöchentlich so wie an diesem Freitagabend fantastisches Essen von Meeresfrüchten bis Steak zu günstigen Preisen serviert wird. Ein echter Insidertipp also und mit der 10-köpfigen, bunt gemischten und wiederum sehr interessanten Gruppe wäre der Abend auch ohne die 8 Flaschen Wein super geworden. Mit natürlich auch. In der Altstadt von Boston dreht sich alles um Freedom und so laufen wir logischerweise den Freedom Trail entlang, der an viel zu vielen historischen Orten im Zusammenhang mit der U.S.-Revolution hält, um sie alle an einem Tag zu besichtigen. Besonders freue ich mich, Martha wiederzusehen, die ich auch noch von der U of Minnesota kenne. Außerdem schauen wir uns die Unis Harvard und MIT an, wobei es vor lauter Freaks auf der Suche nach Pokémon, es ist der erste Tag des Hypes und ja auch ich gehöre ein bisschen dazu, schwer ist, die Altehrwürdigkeit dieser Orte zu erfahren. Zum PhD-Studium würde ich trotzdem herkommen, wenn es sich ergibt.

Am frühen Morgen des folgenden Montages brechen wir auf nach Kanada.

Und los: Down to the East coast

Mit zwei lachenden Augen verabschiede ich mich am Morgen des Anfangs vom Vagabundenleben von Nancy und George. Eins lacht, weil ich hier eine tolle Familie gefunden habe und ich weiß, dass ich diese wunderbaren Menschen ganz sicher nicht zum letzten Mal gesehen haben werde. Das andere lacht, weil der Tag, auf den alles in den letzten Wochen irgendwie hin lief, endlich da ist. Das Auto ist komplett gepackt und startbereit, ich habe sogar schon eine Nacht darin Probe geschlafen, auf Nancy und George’s Basketballfeld hinten im Garten, und meine ersten 3 Stops sind dank der unschätzbar wertvollen Hilfe meiner American Mum and Dad durchgeplant. Ich muss also nur noch fahren, für alles andere ist gesorgt. Das ist natürlich schneller gesagt als getan, die Fahrt wird lang und –weilig.
Ich habe mir die Route nach New York City in drei ungefähr gleich große Teile eingeteilt und so muss ich jeden Tag mutterseelenallein zwischen sechs und acht Stunden über Highway-Asphalt rollen. Im Auto bleibt immerhin viel Zeit zum Nachdenken und Wach-Träumen und so male ich mir den bevorstehenden Trip schon mal in den schillerndsten Farben aus: Zuerst würde ich jetzt nach NYC runterfahren, um dort Julius einzusammeln. Mit diesem ginge es dann die komplette Ostküste der Staaten runter und wieder rauf. Nach Boston wollen wir nach Westen abbiegen und über die Grenze nach Kanada fahren. Von dort dann im Zickzack die schönsten Nationalparks einschließend coast-to-coast an die Westküste. Bei Seattle zurück in die USA, und den Highway 1 die Westküste runter bis L.A., wo wir Basti einsammeln würden. Von dort dann einige Tage ins Landesinnere, um die beeindruckenden Naturphänomene zu genießen, zurück nach L.A., Julius wegbringen, hoch nach San Francisco, Jonathan und Florian abholen, mit der Meute aufs Burning Man-Festival gehen und danach noch mal eben mit Basti durch den ganzen U.S.-amerikanischen Süden touren, um schließlich Mitte Oktober aus Florida zurück nach Deutschland zu fliegen. Man kann sich die Form der Route also wie ein riesiges C vorstellen, eine große öffnende Klammer, welche die USA umschließt. „Na, wenn das mal alles so hinhaut“ denke ich, als ich nach Chicago einrolle. Noch habe ich ein funktionierendes Auto, genug Reserven auf dem Konto und bin frohen Mutes. Wäre fast ein Wunder, wenn all das für immer so bliebe.
Im Norden Chicagos darf ich bei Sabine und Andrew übernachten. Er ist ein ehemaliger Student von George an der U, sie eine Deutsche auf Auslandsstation in ihrem Trainee-Programm. Kennengelernt haben sich beide in ihrer Ausbildung bei einem deutschen internationalen Unternehmen. Dieses Unternehmen bezahlt auch Sabines 2-Bedroom-Apartment mit einem ungenutzten Zimmer und so komme ich, wohl zum letzten Mal für ganz lange Zeit, sogar in den Luxus eines eigenen Zimmers für eine Nacht. Zu Abend essen wir beim örtlichen „Portillos“ – wieder genau so lecker, wie ich es aus meinem ersten Trip nach Chicago in Erinnerung habe. Danach gibt es noch NBA und das Staffelfinale von Game of Thrones auf die Augen und ich kann erst ins Bett gehen, nachdem ich mich ein wenig beruhigt habe.

Die Etappe des nächsten Tages führt mich durch Cleveland. Das trifft sich ganz gut, denn gerade am Vorabend haben die Cavaliers um LeBron James zum ersten Mal in der Geschichte der NBA die Finalserie gegen die Golden State Warriors um Steph Curry nach 3 Niederlagen aus 4 Spielen noch gedreht und sind die Basketball-Champions geworden. Das Herzschlagfinale hatten Sabine, Drew und ich gestern Abend auf der Couch verfolgt. Und so nehme ich einen, durch die vielen jubelnden Fans, die die Straßen verstopfen, mit fast 2 Stunden deutlich länger als gedachten Umweg in Kauf und fahre zur Heimarena der Cavs. Die offizielle Party findet erst in zwei Tagen statt, aber auch jetzt kann ich ein bisschen Gewinnerstimmung tanken, in dieser Stadt, in der seit den 60er Jahren kein großer Titel mehr gewonnen wurde. Den Rest des Tages bestimmen langgezogene Highways durchs Flachland und das blödeste Mautsystem aller Zeiten in Illinois – nur Du hast noch die Chance, das evtl. noch zu toppen, Alex D. – und ich bin glücklich, dass ich mir eine 400 Songs umfassende Spotify-Playlist mit dem Titel „Riding Flyover Country“ erstellt habe.
Sobald ich mich New York State nähere, ist es wenigstens mit der landschaftlichen Langeweile vorbei. Alles ist so grün hier, ein paar Hügel gibt es auch und vor allem hat Upstate New York nichts, aber auch gar nichts mit NYC gemein. Kurz nachdem ich vom Highway abfahre entdecke ich außerdem eine große Siedlung einer Amish community und kann mir einmal vorstellen, wie hier alle Menschen gelebt haben müssen, damals, als Amerika noch Sehnsuchtsort vieler Europäer war und sie hier mit dem Schiff und Hoffnung auf eine bessere Zukunft gelandet sind. Beth, George’s Schwester, ihr Ehemann Ron und sein Bruder Gary empfangen mich mit frischen Hamburgern vom Grill zum Abendessen. Ihr Grundstück ist bewaldet und mit 14 ha sehr weitläufig, es erinnert mich an das eines Freundes meines Papas in der Uckermark, das wir früher immer sehr gerne zum Urlaub mit der Familie genutzt haben. Als ich mir ein Glas des in dieser Gegend doch bestimmt sauberen Leitungswassers abfülle, gibt mir Beth stattdessen eine kleine Plastikflasche und erklärt mir, dass ein paar Unternehmen hier vor 15 Jahren mit dem Fracking begonnen hatten und man das Grundwasser hier seitdem lieber nicht mehr trinken soll. Na jut. Ron hat vor dem Grundstück ein großes Plakat aufgehängt, auf dem die Erhaltung des „second amendment“ beschworen wird, also das zur Verfassung hinzugefügte Recht eines jeden Amerikaners, eine Waffe zu besitzen. Ron, selber Vietnam-Kriegsveteran, macht von diesem Recht auch selber gleich in mehrfacher Ausführung Gebrauch. Nicht ohne Stolz zeigt er mir Teile seiner Waffensammlung und nicht ohne Ehrfurcht begutachte ich und probiere aus. Mit einer Kaliber .22 auf Dosen zu schießen mag ja noch ganz spaßig sein, aber spätestens als ich seine neue Knarre, eine Pistole zur – wie Ron es sagt – „Selbstverteidigung“ (vllt eine Glock oder Sig, hab ich vergessen) abfeuere, den Rückstoß spüre und vom Knall einen ordentlichen und lange andauernden Tinni bekomme, merke ich, dass solche Waffen für mich doch eher nichts sind und auch bitte für niemanden ohne entsprechendes Training etwas sein sollten. Am späten Abend stoßen wir zu einer kleinen Geburtstagsfeier einer Nachbarin hinzu und genießen Lagerfeuer und Vollmond.
Früh am nächsten Morgen mache ich mich auf meine letzte Pre-brotrip-Etappe durch den schönen Empire State. Es geht bis zur Stadtgrenze von NYC recht zügig voran, aber ab dort beginnt der Albtraum: Für die letzten 5 Meilen durch den Big Apple, brauche ich über eine Stunde, da ich ganz Manhattan zur rush hour durchqueren muss, um die Wohnung des Laskaris-Sohnes Alex in Brooklyn zu erreichen.

Bye-bye Minnesota!

Meine letzten Wochen in Minnesota sind geprägt von den Semester-Abschlussklausuren, die ich ohne allzu große Sorgen hinter mich bringen kann, da nur 1-2 der Kurse überhaupt auf mein Studium in Berlin angerechnet werden. Natürlich führt der Ehrgeiz, den man so im Laufe eines Semesters entwickelt, aber doch noch zu einigen lern-schwangeren und schlaf-losen Nächten in der Finals Week. Bevor wieder das traurige Verabschieden von allen schon wieder liebgewonnenen Internationals diesen Semesters anfängt, steht mir noch so einiges bevor. Erfreuliches und weniger Erfreuliches.
Erfreulich ist, dass ich zwei Mal von guten Freunden in ihre „cabins“ eingeladen werde. Jeder echte Minnesotan hat auf irgendeine Art und Weise Zugang zu einem dieser Ferienhäuser Up North, ein meistens nett an einem See gelegenes Wochenend-Refugium mit Zugang zum Wasser und ohne Zugang zum Mobilfunknetz.
Der erste dieser Trips geht super spontan mit einer gemischten Crew aus 4 ½ Kontinenten zur cabin meiner Buddy-Studentin Anna: Anna und Delane aus den USA, Francisco aus Ecuador, Burak aus der Türkei, Kajsa aus Norwegen aber zurzeit in Australien lebend, Carlos aus Spanien und ich machen uns in Annas Auto auf den 4 stündigen Weg nach Norden, nachdem wir am Vorabend aus einer anfänglichen Spinnerei einen handfesten Plan gemacht hatten. Burak nimmt für dieses verlängerte Wochenede den Umstand in Kauf, eine Klausur zu verpassen. Diese kann er zwar unproblematisch vorverlegen, muss diese dann aber gleich morgens, bevor wir losfahren, schreiben. Als wir ihn an der Uni abholen, hat er eine zweistündige Klausur hinter sich gebracht, nachdem er, als wir die Verabredung gestern um 23 Uhr endlich fest gezurrt hatten, noch 9 Stunden Zeit zum Lernen und Schlafen hatte, letzteres er zur Sicherheit lieber gleich hat sein lassen. Wir verbringen ein sonniges Wochenende mit Motorboot, Kanu, Jetski, Riesentrampolin und abendlichem gemütlichem Kaminfeuer. Auch ein nächtlicher Stromausfall kann uns den Spaß nicht verderben, unsere S’mores muss man ja schließlich eh am Kamin herstellen. Ich muss sagen, dass diese cabins eine sehr gute Geschichte sind, jede/-r sollte eine haben.
Daher bin ich natürlich auch sofort begeistert, als mir mein Studienfreund Daniel vorschlägt, mich für ein Wochenende auch in die cabin seines Onkels Bob mitzunehmen. Diese cabin ist dann wirklich „remote“: Sie liegt in den wunderschönen „Boundary Waters“ an der Grenze zu Kanada. Unwirklich, wie wir 6 Meilen mit dem Boot fahren müssen, da keine Straße zum Haus führt. Alles im Dunkeln. Die Anreise dauert insgesamt 7 Stunden mit Autofahrt zur Marina, Verladen des ganzen Zeugs und der gespenstischen Bootsfahrt durch die regnerische Nacht. Die Navigation funktioniert im Stockdunkeln nur mit Instrumenten, aber unser Captain Bob hat den Weg sowieso in Fleisch und Blut und navigiert uns sicher ans Ziel. Wir kommen an und wie geil ist das denn Strom gibt es hier nur sehr begrenzt aus Solarzellen, ansonsten ist Plumpsklo-Style angesagt. Mit Dan’s cooler Familie sitzen wir beim Kartenspielen in der gemütlichen Wohnküche, draußen prasselt der Regen auf den Steg. Trotz regnerischem Wetter wird auch dieser Trip unvergesslich: Mit Dan mache ich eine Kanutour bis zu der Stelle, an der er Jahre zuvor mal einen Geo-Cache versteckt hat. Mit allen spielen wir viiiiele Brett- und Kartenspiele, es gibt viiiiiel gutes Essen, unter anderem selbst gefangenen Fisch und dann gibt es auch noch den Jüngsten der Bande, Miles, der uns immer wieder in seine meist großangelegten Spiele miteinbezieht. Wir gehen „tuben“, also uns auf einem Gummiring in einem Affenzahn hinterm Motorboot herziehen und am letzten, etwas sonnigeren Tag bringen mir die Männer sogar das Wasserskifahren bei. Außerdem habe ich dank mangelndem Handyempfang endlich mal wieder Zeit für ein Buch.

Aber dann gibt es ja auch noch das weniger Erfreuliche: Wie schon vorher beschrieben, hatte ich seit einigen Wochen mit einer Blinddarm-Entzündung zu kämpfen und nach Rücksprache mit meiner Ärztin konnte ich mir durch entzündungshemmende Medikation zwar einige Wochen Zeit „erkaufen“, um es wenigstens noch durch die Finals zu schaffen. Danach ist es aber schlussendlich soweit und das Ding muss raus. Nachdem ich mit der Uni halbwegs geklärt habe, dass ich den Großteil der Kosten von einem „Notfall-Fonds“ erstattet bekomme, lasse ich mich in ein supermodernes „Surgery Center“, welches eher einem Hotel als Krankenhaus ähnelt, einliefern. Die Operation erledigt der Chirurg in Rekordzeit und dank der Hilfe einiger lieber Freunde, allen voran Ana, bin ich auch in den kommenden Stunden und Tagen rundum gut versorgt. Trotzdem ist es natürlich ätzend und vor allem anstrengend, 27 Mal am Tag aufs Klo zu müssen, nicht schwer heben zu können und sich ganz insgesamt einfach dreckig zu fühlen. Von Anfang an versuche ich mich einigermaßen aufzuraffen, vor allem, um noch einige schöne Momente mit den immer weniger werdenden anderen internationalen Studierenden zu verbringen. Und Eis oder Frozen Yogurt essen gehen kann ja auch für den Bauch nur gut sein, oder etwa nicht?!
Mittlerweile bin ich schon sehr lange von zuhause weg. So lange, dass ich gar nicht mehr weiß, ob meine Freunde daheim den Witz, den ich in unserem Atzenverteiler mache, verstehen. Mein Auszug gestaltet sich so auch aufwendiger als gedacht, weil man in einem Jahr natürlich doch mehr Kram ansammelt, als erwartet und vor allem, da ich wegen meiner noch nicht verheilten Narben mein Zeug in Mini-Portionen aus dem dritten Stock runtertransportieren muss. Zum Glück hat meine „amerikanische Familie“ (dieselben lieben Menschen, bei denen ich schon seit einem halben Jahr zum „Thursday Night Dinner Club“ eingeladen wurde) mir netterweise angeboten, für die letzten drei Wochen meiner Zeit in Minnesota bei ihnen in St Paul einzuziehen. Und so beziehe ich das ehemalige Kinderzimmer von Nancy’s und George’s erwachsenen und bereits ausgezogenen Söhnen, relaxe auf der im Sommer noch schöneren Porch und spiele LeBron’s Dunks auf den hauseigenen Hoop nach.
Mein Geburtstag naht und die grauenhafte Vorstellung, diesen so einsam wie niemals zu vor zu verbringen, bricht sich Bahn. Als es dann so weit ist, bewahrheitet sie sich glücklicherweise nicht, es ist im Gegenteil überhaupt nicht trist. Mittags gehe ich mit 2 Freundinnen kubanisch Essen und abends mit noch viel mehr Leuten feiern im Honey, zu endlich mal guter elektronischer Tanzmusik. Zwischendurch erreichen mich viele liebe Glückwunschnachrichten von zu Hause, alles in allem ein runder unrunder Geburtstag.
Das teuerste Geburtstagsgeschenk mache ich mir selber, als ich mir in derselben Woche endlich ein Auto kaufe. Wochenlang habe ich mit den Trip-Mitstreitern aus Berlin über Craigslist gebrütet und über Skype konferiert, nun endlich haben wir ein bezahlbares Atzenmobil gefunden. Der Dodge Caravan mit selbst eingebautem Bett statt zweiter Rückbank wird mir von der Spanierin Marta für $2,500 verkauft. Marta hatte mit dem Auto ebenfalls einen Roadtrip hinter sich und ihn zu diesem Zweck auf primitive, aber doch funktionierende Weise „umgerüstet“: Rückbank raus, ein aus Spanplatten gezimmertes Bett mit ordentlich Stauraum drunter rein, Haken und Ösen für Vorhänge angebracht und ein bisschen Kochgeschirr eingeladen. Ich ergänze den Wagen noch um einige praktischen Klettverschluss- und Lampenkonstruktionen, einen 12V-Kühlschrank und eine Dachbox, in die ich meinen ganzen Plunder stopfen kann. Einen kleinen Schock bekomme ich, als ich die Karre zum finalen Check-Up in die Werkstatt gebe. Der Mechaniker ruft mich an und berichtet: „Tut mir Leid, Ihnen das mitteilen zu müssen, aber so könnense mit dem Auto nicht einmal durchs Land fahren“. Für Reparaturen im Wert von $500 kann ich mich wenigstens so weit freikaufen, als dass der Mechaniker behauptet, mit einer ordentlichen Portion Glück würde das Getriebe halten und ich unversehrt in Florida ankommen. Fortan wird regelmäßig für das Auto gebetet.
Meine letzte Woche in Minnesota genieße ich beim Fahrradfahren oder bei der Affenhitze manchmal auch gleich am See. Ich schaffe es, noch ein paar Dinge von meiner Minneapolis-Bucketlist abzuhaken, fahre hoch aufs IDS Center, besuche den Como Zoo und schaue mir ein Spiel von Minnesota United FC an. Ferner kann ich meinen im Januar in der Schwimmhalle begonnenen Open Water Tauchschein mit einigen Tauchgängen an zwei Wochenendtagen erfolgreich abschließen und darf nun überall auf der Welt tauchen gehen. Juhu! An einem unserer letzten gemeinsamen Tage gehen Ana und ich Tontaubenschießen im lokalen Schützenverein, wobei die Trefferquote zwar zu wünschen übrig lässt, der Spaß jedoch nicht.

Mein Erfahrungsbericht

Für alle, die einmal als Austauschstudierende an die University of Minnesota kommen, könnte mein Abschlussbericht aus dem Jahr 2015/2016 interessant und hilfreich sein:

Einleitung

Herzlich Willkommen an der University of Minnesota!

Dieser Bericht ist etwas länger geworden als andere, da ich versucht habe, außer meiner Erfahrungen noch alle Antworten und viele Tipps und Tricks mit einzuflechten, die mir damals beim Lesen der Erfahrungsberichte gefehlt haben. Dir als lesender Person würde ich daher empfehlen, Abschnitte zu überspringen, die für Dich nicht interessant sind. Oder erstmal einen der anderen Erfahrungsberichte zu lesen und dann hier nachzuschlagen, falls Du Dich mit einem Thema näher befassen möchtest. Frohes Lesen und viel Spaß an der U of M, Du hast wirklich Glück hierher zu kommen!

Inhalt

Einleitung

Kurz-Geschichte: lange Geschichte

Der Mittlere Westen und die “twin cities”

Wetter

Die University of Minnesota: Become a gopher!

Campus

Kurse

Studierfreundlichkeit

Möglichkeiten

Veranstaltungen, Talks, Diskussionen

Finanzielle Förderung / Stipendien

Jobs

Praktika

Wohnen: On- oder Off-Campus?

Möbel

Ankommen und sein Leben einrichten

Bank

Telefon

Health Care

Transport

Essen

Ausgehen

Rausgehen

Sport

Shopping

Ein langes Fazit

Kurz-Geschichte: lange Geschichte

Du bist Teil des ältesten Austauschprogrammes der University of Minnesota. Es wurde bereits im Jahr 1952 – von Studierenden! – gegründet. Dies kann Dir unter Umständen einen kleinen Bonus bei den ISSS (International Students and Scholar Services) einbringen, bedeutet aber gleichzeitig natürlich auch eine große Verantwortung, das Programm auch würdevoll ins nächste Jahr zu bringen 😉

Der Mittlere Westen und die “twin cities”

…sind meiner Meinung nach das “wahre” Gesicht der USA. Hier liegt historisch das industrielle Herz der Staaten, und auch heute noch ist der Midwest bekannt für eine hohe Arbeitsmoral, gute Kontakte und gute Geschäfte. Vor allem in der twin cities-Region (Also den Zwillingsstädten Minneapolis und St. Paul und Umgebung) tummeln sich viele Fortune 500-Unternehmen, es gibt eine nicht zu unterschätzende Start-Up-Kultur und immer mehr junge Menschen, vor allem Familien, zieht es aufgrund der vergleichsweise niedrigen Lebenshaltungskosten – sorry, immer noch deutlich teurer als Berlin – hierher. Mit dem Flughafen ist man sowohl zur Ost- als auch zur Westküste gut angebunden und auch zeitzonenmäßig liegt man hier ungefähr in der Mitte. Es kommt nicht von ungefähr, dass große Firmen wie Microsoft viele ihrer Standorte nach Midwest verlegen.

Freizeittechnisch gibt es hier super Angebote, in erster Linie ganz viel Natur, aber auch Sport und Shopping kommen hier nicht zu kurz, siehe dazu die jeweiligen Abschnitte. Insgesamt sind die cities eher am Tag aktiv, wer also normalerweise von Donnerstag bis Sonntag im Kater Blau abfeiert, wird in der Hinsicht hier einigermaßen ernüchtert werden (eigene Erfahrung :-().

Wetter

Davor hatten wir alle Angst: Vor der Polarkälte, die in Minnesota in meiner Vorstellung (vor Ankunft) eigentlich immer herrschte. Umso überraschter war ich dann, als ich hier bis Mitte Oktober noch in kurzer Hose herumgelaufen bin, während daheim in Berlin schon Herbst angesagt war. Durch die ultrakontinentale Lage, ist es in den cities nämlich im Sommer sehr heiß und im Winter sehr kalt und vor allem sehr wechselhaft. Temperatursprünge von >10°C von einem Tag auf den anderen sind keine Seltenheit und man gewöhnt sich schnell daran, jeden Morgen die Vorhersage zu checken, oder auch mal ganz oldschool einen Blick aus dem Fenster zu werfen.

Bis Weihnachten hat der Winter sich eigentlich kaum blicken lassen, sodass sich einige Internationals, die nur für ein Semester hier waren, schon beschwert haben, gar nichts von der crazy Kälte mitbekommen zu haben. Im Januar ging es dann doch mal auf -25°C runter und damit in den Bereich, den die Minnesotans überhaupt erst als Winter bezeichnen. Alles in den “double digits” also >10°F, zählt nämlich nicht dazu. Das ist scheißkalt. Da gewöhnt man sich auch meiner Meinung nach nicht dran. Die Kälte hielt aber nur wenige Tage an und dann wurde es wieder erträglicher. Insgesamt habe ich einen milden Winter hier erwischt, vor zwei Jahren war es deutlich länger kalt und -40°C standen angeblich auch auf dem Thermometer. Da hilft dann nur noch sehr, sehr warme Kleidung (die man hier aber auch super kaufen kann, siehe “Shopping”) und möglichst viel drinnen zu bleiben. Das ist dank eines ausgeklügelten Tunnelsystems an der Uni, dem “Gopher Way”, auf dem Campus aber auch gut möglich. Drinnen wird außerdem im Winter gut geheizt und im Sommer gut gekühlt. Manchmal auch zu gut, ich glaube fast, dass es im Winter drinnen wärmer ist, als im Sommer.

Die University of Minnesota: Become a gopher!

Campus

Der Campus der U of M Minneapolis ist ziemlich cool zwischen den beiden Downtowns der twin cities und direkt am Mississippi gelegen. Der größere Teil erstreckt sich auf der East Bank, hier sind die meisten Naturwissenschaften ansässig, außerdem das Northrop Auditorium, in dem die ganz großen Events stattfinden, die meisten Sportanlagen (das TCF Bank Stadium für Football ist nur das größte davon) und die Coffman Memorial Union, wo es Essen, University Clubs und eine überlebensgroße Statue von Goldy Gopher, dem Maskottchen der Uni, gibt.

Über die unieigene Brücke, in deren überdachtem Teil man entlang der Wände Informationen über viele der University Clubs findet, kommt man zum kleineren Teil der West Bank. Hier sitzen die unter anderem die Business School, die Law School, die Social Sciences und Theater- und Filmstudiengänge.

Es gibt auch einen St. Paul Campus, den Du gesehen haben solltest: Es riecht zwar ein bisschen nach Stall, weil dort neben Nachhaltigkeitsstudiengänngen und Biologie alle Ernährungswissenschaften angesiedelt sind und ihre eigenen Ställe betreiben (und etwas weiter entfernt auch Felder), aber die großzügigen Grünflächen sind besonders im Frühling/Sommer/Herbst ziemlich amazing. Mittwochs wird von den Studenten hergestelltes Eis verkauft. Im Spätsommer steigt nebenan auf dem Messegelände die sehr amerikanische Minnesota State Fair. Insgesamt ist der auf einem Hügel liegende Campus definitiv einen Besuch wert, auch wenn Du selber hier keine Kurse hast.

Die U of M hat außerdem noch “Außenstellen” in Duluth, Morris und Rochester.

Kurse

Das Kursangebot ist hier wirklich riesig und zum Teil ziemlich ausgefallen. Wenn Du Glück hast, kannst Du Dich in alle möglichen Kurse einschreiben, darunter viel fachlich Gutes aber auch anderes cooles von Bowling, über SCUBA diving bis wine tasting. Viele Kurse haben prerequisites, aber nach meiner Erfahrung lohnt es sich immer, einfach mal beim Professor anzuklopfen, seine Motivation darzulegen und nachzufragen, ob man nicht auch ohne mitmachen kann. Ich würde sagen: Wenn Du Dir den Kurs zutraust, sollte er für Dich auch machbar sein.

Insgesamt musst Du mindestens 12 credits belegen, um als Vollzeitstudent Deinen Status zu behalten. Unter uns internationals wurde spekuliert, was passieren würde, wenn man nur weniger als 12 credits besteht (also z.B. 14 wählt, aber einen 4-credit-Kurs mit F abschließt, was an sich schon super schwierig ist, siehe “Studierfreundlichkeit”). Vermutlich gar nichts. Ausprobiert haben wir es trotzdem nicht, 12 credits ist wirklich machbar. Ich habe im fall term, meinem ersten Semester 14 credits belegt und im spring term dann 16  und habe auch alle relativ locker bestanden. Ich hatte in beiden Semestern immer mal wieder ganz gut zu tun, musste aber andererseits fast nie absagen, wenn es in den Nächten von Donnerstag bis Samstag feiern ging.

Studierfreundlichkeit

Ich war an der business school “Carlson” und die Kurse hier sollen im Vergleich zu anderen Colleges schwierig sein. Meiner Meinung nach ist es zwar deutlich mehr kontinuierliche Arbeit als in D, also nach einer Woche Blaumachen muss man schon ein wenig ranklotzen, um in der nächsten Woche wieder auf dem aktuellen Stand zu sein. Wenn man am Ball bleibt, und immer alle assignments einreicht, bekommt man aber easy gute Noten. Also leichter als an der FU (wenigstens für BWL). Pro Stunde Aufwand bekommt man also sozusagen „gleichviel Note“, würde ich sagen. Im Unterschied zu manchen Kursen an der FU habe ich hier das Gefühl, dass die Profs wirklich Wert darauf legen, dass jede/-r bei ihnen im Kurs am Ende auch was gelernt hat. Die Profs haben in der Regel viel Verständnis für die Schwierigkeiten, die das Dasein als Austauschstudent so mitbringt und es kann Wunder wirken, sich in der ersten Woche einmal freundlich vorzustellen.

Möglichkeiten

Veranstaltungen, Talks, Diskussionen

Die University of Minnesota bietet allein durch ihre Größe viele fantastische Möglichkeiten. Zig Veranstaltungen zu unterschiedlichsten Themen finden hier beinahe täglich statt. Diese sind zum größten Teil kostenlos, aber nicht immer ganz leicht zu finden. Um auf dem Laufenden zu bleiben, empfehle ich Dir, Dich mit Deiner UMN-Emailadresse in möglichst viele Newsletter und Email-Listen einzutragen. Viele Email-Listen zum Eintragen findest Du bei den Kennenlernevents in der Welcome Week. Besonders ein großes Event am Jahresanfang in der Mariucci-Arena, bei dem sich zig studentische Clubs und Initiativen vorgestellt haben, war dafür gut (den genauen Namen des Events habe ich leider vergessen). Für studentische Events ist natürlich auch Facebook eine wichtige Anlaufstelle.

Einige meiner Highlight-Veranstaltungen waren ein Feature mit MPR (Minnesota Public Radio) über Rassismus und die hier sehr starke Bewegung Black Lives Matter, eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der US-Außenpolitik und eine Rede über disruptive Innovation plus Q&A mit Antonio Gracias (Investor in Tesla, SpaceX, Paypal u.a. und Busenfreund von Elon Musk). Eher enttäuscht war ich vom TEDx-Event an der Uni.

Ich kann nur raten, an so vielen interessanten Veranstaltungen wie möglich teilzunehmen, meistens ist nur eine schnelle Registrierung erforderlich, die Zeit ist fast nie vergeudet und free food gibt es oftmals auch noch.

Finanzielle Förderung / Stipendien

Weiterhin bietet die UMN auch viele Möglichkeiten der finanziellen Förderung. Studiengebühren (besonders so lange andere sie bezahlen), sind also doch nicht nur schlecht. Zum Beispiel werden Teilstipendien für Bewohner/-innen der dorms in der Form von Gebührennachlass vergeben. Außerdem gibt es Stipendien und financial aid für die, die es nachweislich gebrauchen können. Viele der Programme schließen Dich als internationalen Studierenden aus, aber hör Dich einfach mal um, für manche bist Du vielleicht doch “eligible”. Außerdem gibt es immer mal wieder Wettbewerbe, bei denen es Preise zu gewinnen gibt (jedenfalls an der Carlson School in aller Regelmäßigkeit).

Jobs

Mit Deinem J1-Visum darfst Du “on-campus” unter bestimmten Bedingungen (hauptsächlich Arbeitszeitbegrenzung) arbeiten. Natürlich kannst Du in einem Forschungsprojekt oder als TA arbeiten. Da ist es evtl. aber nicht ganz einfach dranzukommen, gerade im ersten Semester im Ausland. Es gibt aber auch zig nicht-akademische Jobs an der Uni, vom Barista im Starbuck’s über die Aufpasserin im PC-Pool (erfahrungsgemäß eine sehr, sehr unanstrengende Arbeit) bis hin zur Reinigungskraft in den dorms. Auf alle diese Jobs kannst Du Dich relativ einfach bewerben und auch relativ einfach ein Jobangebot bekommen. Nachdem der ganze Papierkram erledigt ist (besonders die Geschichte mit der Social Security Number war bei mir ein ziemlicher Hustle – generell gilt: Bring am besten immer überall ALLE Deine Dokumente mit und weise die oft nicht supergut informierten Mitarbeiter/-innen der öffentlichen Verwaltung darauf hin, wie es Deiner Meinung nach doch klappt mit dem Antrag), kannst Du mit solch einem Job easy 10$-12$ pro Stunde dazuverdienen.

Praktika

Zumindest für business-Studierende ist es das Normalste der Welt, einen Teil des Sommers mit einem Praktikum zu  verbringen. Das Angebot für die mehrwöchigen Programme ist groß und quer durch alle Unternehmensgrößen und auch Gehaltsstrukturen (unbezahlt bis zu durchschnittlich 6.800$/Monat bei den großen Techies im Silicon Valley). Viele Firmen interessieren sich leider kaum für die Studentin aus Deutschland, da man ja höchstwahrscheinlich nicht nach dem Abschluss anfängt, in Vollzeit für sie zu arbeiten. Versuchen kann man es trotzdem, Bewerbungen sind in der Regel ungefähr zum Jahreswechsel fällig. Am Anfang habe ich versucht, möglichst viele Gastredner in den verschiedenen Clubs (bei mir waren das hauptsächlich SAFA und AMA) anzuquatschen. Es stellte sich aber schnell heraus, dass die meisten Unternehmen auch keine Lust haben, sich mit Steuern und Abgaben, Visa etc.pp. genauer zu beschäftigen.

Ich habe dann das Glück gehabt, über ein Praktikumsprogramm der UMN (genauer gesagt des Gary S. Holmes Center for Entrepreneurship, eine Art Leuchtturm-Sub-Organisation innerhalb der Business School) an ein Praktikum gekommen zu sein. Das „Deluxe E-ternship“ vermittelt jede Jahr ca. 40 Studierende aller Studienrichtungen an lokale Start-Ups und es ist mit $12/Stunde relativ gut bezahlt. Die Programm-Verantwortlichen wussten erstmal auch nicht so genau, ob ich mich als international überhaupt bewerben kann, es kam aber relativ schnell heraus, dass eigentlich nichts dagegen spricht. Ich musste zwar etwas mehr Papierkram erledigen, als die US-Bewerber/-innen (u.a. Social Security Number beantragen, tax treaty abschließen), aber dann ging alles gut. Beworben habe ich mich glaube ich im Spät-Oktober, im Januar ging es dann los mit ~10 Stunden pro Woche. Das Coole hierbei ist natürlich, dass im Vergleich zu den oben beschriebenen Jobs auch viel wertvolles Lernen dabei ist. Ich habe in einer kleinen IT-Consulting-Firma gearbeitet und sehr viel mitgenommen.

Nach Ende des Semesters konnte ich mit denen auch noch mein J-1 Visum über den Sommer verlängern und für ein etwas höheres Gehalt weiter mit meinem Chef zusammenarbeiten. Es gibt aber sicherlich auch außerhalb des Holmes Center eine Menge Leute an der Uni, die dafür bezahlt werden, beim Finden von Praktika zu helfen. Ein Besuch in der Sprechstunde der Verantwortlichen am Fachbereich lohnt sich bestimmt.

Wohnen: On- oder Off-Campus?

Das Thema Wohnen brennt natürlich allen zukünftigen Austauschstudenten/-innen unter den Nägeln. Vorab: Lass Dich von der U of M nicht stressen (Ich weiß, sie fragen SEHR oft nach, ob Du WIRKLICH nicht auf dem Campus wohnen möchtest), meiner Meinung nach können die einen im Notfall aber immer noch irgendwo unterbringen und etliche Wohnheimzimmer standen leer, während ich hier war, vor allem die teureren im University Village waren nie komplett ausgebucht.

Ich bin ein bisschen Risiko eingegangen und habe über die U of M für $23/Nacht temporary housing (mehr Infos hier: https://www.housing.umn.edu/international)  für meine ersten 10 Tage gebucht. Da wird man dann über den Sommer in ein Zimmer in den dorms gesteckt, welches zu Beginn des Semesters aber von jemand anderem bezogen wird. Diese Option existiert folglich immer nur bis Semesterbeginn und dann muss man ausziehen.

In diesen 10 Tagen habe ich mich dann hier auf die Wohnungssuche gemacht. Das war erst ein bisschen ernüchternd, weil die Mieten wirklich deutlich höher liegen als in Berlin. Sobald Du Dich darauf eingestellt hast, dass Du wahrscheinlich mindestens $500/Monat für ein eigenes Zimmer bezahlen musst, ist der Wohnungsmarkt aber sehr lebendig: Es gibt die residence halls / dorms, also Studiwohnheime auf dem Campus, mit verschiedensten Optionen zu Zimmergröße und Privatsphäre, angefangen bei geteiltem Zimmer mit Toilette auf dem Flur (Middlebrook Hall) bis hin zu 4-Zimmer-Appartments mit Einzelzimmern und einem Bad je 2 Personen (University Village, kurz UV, ca. $850 monatlich).

Die dorms bieten nur Platz für ca. 7.000 Studierende und als irgendein BWLer mal nachgerechnet hat, ist ihm aufgefallen, dass damit noch 23.000 Studis nach privaten Wohnungen suchen müssen. In den letzten 15 Jahren sind dann hier ganz schnell ganz viele Appartments von privaten Anbietern hochgezogen worden, die preislich nicht unbedingt weit über dem UV liegen, sich aber mit spektakulären “amenities” gegenseitig überbieten: Fast alle haben Gemeinschaftsräume zum Internetnutzen, Studieren oder gemeinsam abhängen, einige haben gar Heimkinos (The Knoll), riesige Balkone (FloCo), oder Riesen-Whripools im Garten (Radius).

Naja und dann gibt es noch Studierendenkooperativen, ganz normale Häuser, WGs und alles, was man aus Berlin so kennt. Die Suche für diese im letzten Satz genannten Möglichkeiten lässt sich vor allem aus Deutschland etwas unbequemer an. Craigslist und die Facebook-Gruppe “Housing” (geschlossene Gruppe, aber Beitrittsanfragen werden in der Regel schnell beantwortet) sind gute Anlaufstellen. Auch hier rangieren Preis und Qualität zwischen gut und böse. Manche wollen Dir einen fensterlosen, mit Vorhang statt Tür ausgestatteten Kellerraum in Como für $450/Monat andrehen. Mach’s nicht! Lass Dich nicht entmutigen, es gibt auch vernünftige Angebote! Ich habe hier nach einigen Tagen einen guten Deal gefunden und lebe in einem großen eigenen Zimmer in einem shared house in Dinkytown (4th Street and 11th Ave SE), zahle dafür $465/Monat und habe eine Vertragslaufzeit von 9 Monaten rausgehandelt. Normalerweise versuchen die Vermieter, für 12 Monate zu vermieten. Ich würde von solchen Mietverträgen absehen, besonders für den Sommer ist es extrem schwierig, einen Untermieter zu finden und am Ende bleibst Du so evtl. auf den 3 Monaten Miete sitzen.

Den Mietvertrag würde ich wenigstens mal überfliegen, bevor ich unterschreibe. Gerade mit Kaution und Haftung kann sich das ein wenig vom Gewohnten unterscheiden. Ich bin damals mit meinem Mietvertrag zu den student legal services der U geeiert und hab da eine Rechtsanwältin draufgucken lassen (ist kostenlos). War jetzt ganz ehrlich gesagt aber auch keine riesige Hilfe. Hab dann mit einem minimal mulmigen Gefühl im Bauch unterschrieben und bin sehr glücklich mit meiner Wahl gewesen.

Letztendlich würde ich folgende Empfehlung aussprechen: Zieh in das University Village, wenn Du nur ein Semester bleibst. Der Altersdurchschnitt ist da etwas höher und der Kotzende-Menschen-auf-dem-Flur-pro-Woche-Durchschnitt ist dort niedriger als in den anderen dorms (v.a. im berühmt-berüchtigten “Super-block”: Frontier Hall, Territorial Hall, Centennial Hall, Pioneer Hall). Außerdem ist das meines Wissens das einzige Wohnheim, in dem Du keinen meal plan (also mindestens 4 mal Mensa in der Woche) kaufen musst. Du wirst dort mit vielen internationals zusammenleben, schnell Freunde finden und Kurzzeitmietverträge sind kein Problem.

Wenn Du länger bleibst, versuch auf jeden Fall etwas off-campus zu finden. Es gibt viele Optionen, es ist oft günstiger und in meinem Fall war es sogar noch deutlich besser gelegen. Wenn Du off-campus suchst, schau in den Bezirken Dinkytown (DAS Studierendenviertel, wo auch nachts was geht) und evtl. noch Como – wobei das im Winter schon ätzend sein kann, wenn es zu kalt zum Fahrradfahren ist und der Bus nur alle 20 Minuten und nachts gar nicht mehr fährt – und achte darauf, dass Du ein Wohnzimmer hast (gegen die soziale Isolation). Lass Dich nicht von der University stressen, sondern entscheide in Ruhe, wie gesagt, im Notfall finden die bestimmt noch ein Zimmer für Dich!

Zum Schluss noch ein evtl. hilfreicher Link: https://housing.umn.edu/international

Möbel

Wer nicht in die dorms zieht – und selbst wer doch teilweise auch -, braucht Kram: Bettwäsche, Küchenutensilien, Möbel u.v.m. Hierfür kann ich stark das ReUse-Program der U und deren Warehouse empfehlen. Dort gibt es all das sehr günstig oder sogar gratis aus zweiter Hand. Allerdings solltest Du schnell sein, die besten Sachen sind kurz nach der Eröffnung zu Semesterstart vergriffen.

Ankommen und sein Leben einrichten

Ich würde Dir empfehlen, mit ein paar Tagen Pufferzeit in Minneapolis anzukommen. Ich persönlich bin schon 10 Tage vor Beginn der Orientierungstage gelandet und hatte so Zeit, mich in Ruhe mit der Wohnungssuche zu beschäftigen, ein paar Dinge zu erledigen (Bank, Telefon) und auch schon ein paar Leute kennenzulernen. Für diese Zeit habe ich das temporary housing Angebot der U of M genutzt, siehe “Wohnen”. Dadurch hatte ich danach ganz entspannt Zeit, die Orientierungswoche zu genießen und jede Veranstaltung mitzumachen, während andere sich noch mit der Erledigung von Kleinkram gestresst haben.

Vom Flughafen kannst Du Dich übrigens kostenlos vom Gopher Chauffeur abholen lassen: http://www.bhs.umn.edu/peer-health-promotion/gopher-chauffeur-airport-rides.htm und lernst dabei schon mindestens eine/-n Kommilitonin/-en kennen (mehr zum Gopher Chauffeur unter “Transport”).

Wenn Du mit Familienmitgliedern anreist, kannst Du diese für ein paar Nächte z.B. ins Commons Hotel (http://www.commonshotel.com/) welches auf dem Campus liegt, einbuchen. Günstiger geht es aber vermutlich mit AirBnB, jede Unterkunft in Up-, Dinky-, oder Downtown tut es im Prinzip auch.

Als nächstes solltest Du Dich um ein paar Kleinigkeiten kümmern.

Bank

Selbst wenn Du nur ein Semester bleibst: Du wirst ein US-Bankkonto haben wollen. Nicht nur, dass überall mit Kreditkarte oder gar Schecks bezahlt wird, für die man jeweils ein US-Konto braucht, auch für praktische FinTech Apps wie z.B. venmo, über die hier quasi jede Schuld unter Kommilitonen beglichen wird, brauchst Du es. Außerdem ist es damit deutlich einfacher, Geld an die Uni zu zahlen (selten, z.B. falls Du einen Kurs mit Extra-Gebühr für Material oder Reise buchst) oder Geld von der Uni zu erhalten (z.B. für einen On-Campus Job).

Auf dem Campus vertreten sind die TCF Bank und die US Bank. Einen Account für Studierende zu eröffnen, geht bei beiden relativ easy, wenn man alle Dokumente zur Hand hat. Ich habe mich für die US Bank entschieden, weil diese außerhalb des Campus eine bessere Verfügbarkeit von Geldautomaten hat (v.a. auch außerhalb der twin cities – da ist TCF echt rar gesät). Beide Konten kommen ohne Kontoführungsgebühren aus. Einige meiner Freunde haben auch bei beiden ein Konto eröffnet, oder bei ganz anderen Banken wie z.B. Wells Fargo. Wenn Du auf dem Campus eröffnest, gibt es witzige Prämien, z.B. ein UMN Sweatshirt oder einen Selfie-Stick.

Um jetzt Geld auf dieses US-Konto zu bekommen, gibt es prinzipiell 3 verschiedene Möglichkeiten:

  1. Du verdienst in den USA Geld und bekommst es direkt auf Dein US-Konto überwiesen (direct deposit).
  2. Du überweist von einem EU Konto oder mit Peer Transfer Geld gegen relativ hohe Gebühren.
  3. Du zahlst bar (oder Schecks) am ATM (Geldautomaten) auf Dein US-Konto ein.

Ich habe stets diese dritte Möglichkeit genutzt. Dazu habe ich mir ein Konto bei der comdirect Bank angelegt (vor Abreise!), mit dessen VISA-Karte ich weltweit kostenlos Geld abheben kann (der Wechselkurs ist hierbei etwas ungünstiger als der “offizielle” Kurs, das ist aber immer noch deutlich günstiger als jede Form von Gebühren). Dann habe ich mich immer mit meinen Zwei VISA-Karten zum US bank ATM begeben, verstohlen nach links und rechts geschaut, um dann eine größere Summe (i.d.R: $500) vom comdirect-Konto abzuheben und gleich nach der Transaktion die US bank VISA-Karte einzuführen und die $$ auf das US-Konto einzuzahlen. Hat wunderbar funktioniert.

Außer der comdirect Bank gibt es noch die DKB mit einem “weltweit kostenlos Abheben”-Angebot, die Wechselkurse sind mal bei der DKB (gefühlt etwas öfter), mal bei der comdirect Bank (gefühlt etwas seltener) günstiger aber meistens max. 1% verschieden. Ein DKB Konto konnte ich sogar aus den USA eröffnen, musste mir die VISA-Karte dann allerdings von meiner WG zuhause nach Minneapolis schicken lassen. Beide Konten eignen sich übrigens auch super für Reisen in die ganze Welt.

Vergiss nicht, Dein Konto bei der USbank/TCF/Wells Fargo zu kündigen, sobald Du die USA verlässt, da sonst mit etwas Pech Gebühren dafür anfallen.

Telefon

Du wirst ganz bestimmt auch ein US-Telefon haben wollen. Seit ein paar Jahren gibt es keine Unterschiede in den sog. Frequenzbändern zwischen Europa und den USA mehr. Jedes halbwegs moderne Handy/Smartphone kann daher auch hier in den USA verwendet werden (Im Zweifel kannst Du Dich easy bei Deinem Hersteller erkundigen). Da Du ja vermutlich kürzer als 12 Monate bleiben wirst, solltest Du keinen langfristigen Mobilfunkvertrag abschließen.

Viele internationale Studierende finden sich in 4er-Gruppen bei Facebook oder in der O-Woche zusammen, um einen “family plan” abzuschließen. Der gilt dann für alle vier, beinhaltet eine US-Telefon- und SMS-Flatrate und meistens ca. 10GB monatliches Datenvolumen, die sich die beteiligten Personen teilen müssen. Bei T-Mobile ist so ein Plan wohl schon ab knapp über $100/Monat (also $25/Person) zu haben.

Ich habe mich für eine Prepaid-Option entschieden, da ich schnell ab dem ersten Tag ein Telefon brauchte (Wohnungssuche etc.) und auf die Schnelle keine 4 Personen zusammenkamen. Ich habe einen Tarif von GoSmart mobile (https://www.gosmartmobile.com/) gewählt, bei dem ich monatlich $30 “auflade” (geht automatisch, wenn im Onlineaccount so konfiguriert; wenn die automatische Aufladung deaktiviert wird, kostet das gleiche Paket $35 im Monat) und dann US-Telefon- und SMS-Flatrate sowie 4GB Datenvolumen erhalte. GoSmart Mobile läuft auch über T-Mobile als Provider. Leider ist T-Mobile hier nicht wie bei uns der Premiumanbieter und so ist deren Netzabdeckung außerhalb der Stadt und leider auch in einigen Ecken auf dem Campus etwas eingeschränkt. Mich hat das auf dem Campus nicht allzu sehr gestört, da immer überall Wi-Fi verfügbar ist. Wer ständig “Up North” campen fahren möchte [mit Ausnahme der Boundary Waters, da gibt es wirklich gar keinen Empfang. Nun soll ein Mast gebaut werden und viele protestieren dagegen, da man im Urlaub dann nicht mehr zwangsweise “disconnected” wird, was für einige den Charme vom Ganzen ausgemacht hat. Aber das ist eine andere Geschichte.], sollte sich vielleicht besser für at&t und damit bessere Netzabdeckung entscheiden.

Nach Deutschland telefonieren kann man mit diesen Verträgen von Hause aus eher nicht so gut, aber es gibt zubuchbare EU-Pakete. Ich habe einfach immer über Skype, WhatsApp, Facebook u.v.a. Google Hangouts (https://hangouts.google.com/; Kann Festnetztelefone in D für $0,01/Minute und Handys für $0,04/Minute anrufen) nach Hause telefoniert.

Health Care

Eine kleine Horrorstory und Warnung für zwischendurch: Das Gesundheitssystem ist hier deutlich teurer als in Deutschland. Über die U bist Du zwar wahrscheinlich genau wie ich krankenversichert, diese Versicherung übernimmt jedoch nur 80% der entstehenden Kosten. Das ist total okay, wenn man mal mit Bauchscherzen zum Onkel Doktor geht und einen geringen Co-Pay im zweistelligen Bereich hat. Wenn sich – wie bei mir – dann aber herausstellt, dass die Bauchschmerzen von einer Blinddarmentzündung herrühren, wird es schnell ungemütlich. Natürlich hat die Gesundheit aber oberste Priorität und so musste ich das Ding herausoperieren lassen, nachdem ich mir mit einer kostengünstigeren Antibiotika-Behandlung noch etwas Zeit bis nach den Klausuren verschafft hatte. Die Arztkosten für den gesamten Prozess summierten sich auf über $18.000! Nach einigen Abzügen und der Zahlung der Versicherung blieben noch etwas über $2000 Schulden übrig. Ich habe wirklich Glück gehabt, dass die University of Minnesota mich hier finanziell unterstützt hat (es gibt einen “Notfall-Fonds” für internationale Studierende) und ich so nicht verarmt bin oder zur OP nach Deutschland fliegen musste, was aus medizinischen und administrativen Gründen echt blöd gewesen wäre.

Auch von Freunden, die aus anderen Gründen in den Emergency Room mussten, habe ich ähnliche Summen vernommen. Ein Freund der sich (natürlich komplett nüchtern) den Fuß gebrochen hat, musste nach Hause fliegen, um sich operieren zu lassen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich würde Euch aus schmerzlicher Eigenerfahrung empfehlen, zusätzlich zur Versicherung der US-Uni noch in Deutschland eine Reisekrankenversicherung mit 100%iger Kostendeckung für die USA abzuschließen.

Transport

Die twin cities sind die fahrradfreundlichste Stadt der USA! Das heißt im Land der dicken Karren und breiten Highways natürlich noch nicht besonders viel, wenn man europäische Standards gewohnt ist. Aber die vielen Radwege (ausschließlich für Radfahrer, ich empfehle besonders den Midtown Greenway und den Cedar Lake regional Trail) und Radstraßen (mit Vorfahrt für Radfahrer) sind schon bemerkenswert. Google Maps auf Fahrradmodus leitet Dich meistens durch diese. Nach meiner Zeit hier kann ich Dir nur wärmstens empfehlen, Dir ein Fahrrad zuzulegen. Günstige gibt es entweder bei Craigslist oder ab und zu in der uniinternen Facebookgruppe “Free and for Sale” zu kaufen, oder Du kannst Dir eines im Outdoorcenter im Rec-Center der Uni mieten. Ich habe mein Rad für das komplette Jahr für $125 gemietet (ein Semester kostete $75) und es nicht bereut. Ich bin die allermeisten Strecken hier mit dem Rad gefahren, auch als das Thermometer im Januar mal zweistellig negative Werte angenommen hat. Das Gute am Mietrad ist, dass Du mit jeglichen Problemen am Rad einfach wieder ins Rec-Center fahren kannst und die das meistens gratis, manchmal für geringe Materialkosten, reparieren. Nichtmal flicken musst Du selber.

Zum Fahrrad würde ich mir noch ein Schutzblech und Lichter besorgen (mit $30 insgesamt bist Du dabei) und mir im Bike Center “The Hub” der U of M in der SE Oak Street einen Zapper ans Vorderrad kleben lassen. Den gibt es nach Anmeldung gratis und an bestimmten Masten, die auf dem Campus verteilt sind, sammelst Du “zaps” für das Gopher Zap Programm. Wenn Du mindestens an 12 Tagen in einem Monat “gezappt” wurdest, kannst Du ganz coole Preise gewinnen. Ich habe in 5 Monaten gewonnen und so eine ordentliche Summe an Gutscheinguthaben ($10-$20 pro Gewinn, hauptsächlich für Essen) verfuttern können. Außerdem kannst Du online checken, wohin Du überall mit dem Rad gefahren bist.

Das Nahverkehrssystem ist relativ gut ausgebaut, zu Stoßzeiten fahren viele Busse überall in der Innenstadt und in die meisten Randbezirke. Die 2 lightrail Linien führen von Downtown Minneapolis über den Campus nach St. Paul (green) bzw. runter zum Flughafen und der Mall of America (blue). Ein Einzelticket kostet $2-3. Für $100/Semester kannst Du den U-Pass erwerben, der Dich alles im ÖPNV benutzen lässt. Ich habe mir ihn mir in beiden Semestern zugelegt, aber er hat sich dank Fahrrad beide Male garantiert nicht rentiert. Es gibt außerdem einen Campus-Zone-Pass, dieser ist umsonst und funktioniert auf 4 Stationen auf dem Minneapolis Campus und in den Uni-Bussen (in die kann aber auch eh jede/r einsteigen und es wird nicht kontrolliert).

Ein ziemlich cooler Service ist der “Gopher Chauffeur”, ein kostenloses Uni-Taxi, welches Dich am Wochenende abends bis 3 Uhr sicher nach Hause bringt. Achtung lange Wartezeiten, am besten 1 Stunde vorher anrufen! Gopher Chauffeur kann Dich nach voheriger Anmeldung auch am Flughafen abholen.

Neu in diesem Semester war ein kostenloser Einkaufsshuttle, welcher jeden zweiten Sonntag zwischen einigen Stationen um den Campus und einem größeren Einkaufszentrum im Norden zirkuliert.

Insgesamt konnte ich so das komplette Jahr auf ein eigenes Auto verzichten. Und wenn ich dann doch mal eines gebraucht habe, haben mir Freunde gerne eines geliehen.

Essen

Während Du Dich am Anfang noch wunderst, wer die ganzen Portionen hier aufessen soll, wirst Du Dich recht schnell umgucken und merken, dass alles eine Frage der Gewöhnung ist. Ich habe einigermaßen versucht, mich nicht all zu U.S.-amerikanisch zu ernähren, was aber teilweise zu einer Herausforderung werden kann. Selber kochen ist ein ganz guter Trick.

Falls Du einen meal plan hast: 17th Avenue Hall hat das beste Essen. Auf dem Campus war mein Favorit das Bistro West auf dem West Bank Campus (unter Humphrey’s), weil es am wenigsten Fastfood-mäßig war.

Ansonsten gibt es ständig bei allen möglichen Events free food, wodurch man ganz gut einige Mahlzeiten pro Woche ersetzen kann.

Meine Lieblings-Fastfood-Restaurants waren Blaze Pizza am Ende der Washington Avenue, Five Guys Burgers in Dinkytown und Afro Deli auf der Westbank.

An Thanksgiving gibt es natürlich Truthahn. Lass Dich am besten zu einer Familie einladen.

Ausgehen

Die twin cities haben eine große Theater-Szene. Im berühmten Guthrie gibt es immer mal wieder Last-Minute-Tickets zu studifreundlichen Preisen. Das Guthrie Theater hat außerdem eine coole Architektur und die endless bridge sowie den Amber room kann man sich auch mal unabhängig von einem Theaterstück geben.

Eines meiner persönlichen Highlights war die Aussicht vom 50. Stock des IDS Centers in Downtown. Da habe ich aber auch Glück gehabt, dass mich der Reinigungs-Atze zufällig reingelassen und umschauen lassen hat. Versuchen solltet Ihr es.

Kunst gibt es im Walker Art Center und dem angeschlossenen Sculpture Garden, oder etwas kleiner aber trotzdem fein auf dem Campus im Weisman Art Museum.

Das Gebiet rund um Fort Snelling ist ohne Auto zwar schwer zu erreichen, aber definitiv ein cooler Ausflug. Ich wurde dort von einem Mitglied der Native Community (Dakota) herumgeführt, was ziemlich beeindruckend war.

Wie schon ganz kurz weiter oben berichtet, ist das nightlife nicht die größte Stärke der twin cities. Alkohol und Alkoholausschank sind ab 21 und darauf wird wirklich geachtet D.h. auch 30-jährige werden “IDed”, wenn sie zum Mittagessen gerne ein Weinchen trinken würden. Ausweisen kann man sich oft nur mit dem Reisepass oder mit der Minnesota State ID. Ich hab diese ganz am Anfang meines Aufenthaltes für ca. $30 beantragt und konnte so meinen Pass beim Feiern gemütlich zu Hause lassen. Ein paar U21-Spanier haben angeblich auch mit gefälschten IDs ganz gute Erfahrungen gemacht.

Um zwei Uhr nachts ist hier leider Sense und die Sperrstunde wird auch wirklich fast immer eingehalten (Ausnahmen gibt es außer auf illegalen warehouse-Parties in Nord-Minneapolis nur wenn Prince stirbt. Dann wurde in der First Avenue auch mal die ganze Nacht gefeiert).

Die besten Orte für Konzerte und Feierei unterscheiden sich natürlich nach Geschmack, aber Dauerbrenner sind First Avenue für Konzerte und Clubbetrieb und die Donnerstags-Freigetränke-für-Studis-Parties im Pourhouse.

Ansonsten kann ich an dieser Stelle nur dringlich empfehlen, alle social Events in der Einführungswoche mitzumachen, so lernst Du auch schon mal einige Plätze kennen. Meine Business School hatte ein ziemlich intensives und z.T. auch trinklastiges Abendprogramm, welches die Gruppe von Anfang an schnell zusammenschweißte. Die ISSS organisieren in jedem Fall auch eine Einführungswoche für alle Fachbereiche übergreifend.

Einige Eventhighlights möchte ich noch kurz erwähnen, da ich sie empfehlenswert fand: Red Bull Crashed Ice, Zombie Pub Crawl und etliche Kleinkunstfestivals.

Außerdem ist Sport hier natürlich auch zum Angucken riesig und so habe ich mir eine Dauerkarte für das Football-Team der U, die Gophers, gekauft ($100). Auch zu beinahe allen anderen erdenklichen Sportarten gibt es Uni-Teams, der Eintritt zu den Spielen und Events ist meistens für Studierende sehr günstig oder kostenlos. Ich hab versucht, von allem etwas zu sehen und bin zum Volleyball, Eishockey und Basketball einigermaßen regelmäßig in der Halle gewesen. Die Gophers haben zwar oft verloren, die Stimmung war meistens trotzdem anständig. Höhepunkt des Sportjahres ist der Super Bowl und hier wirst Du garantiert zu mindestens einer Watch-Party eingeladen.

Rausgehen

Die unglaublich schöne Natur Minnesotas war einer der Haupt-Pull-Faktoren, die mich hergezogen haben. Im Winter ist damit außer Ski- oder Schlittenhundfahren zwar nicht viel anzufangen, aber hey, es ist ja auch eine ganze Weile lang warm, vor allem wenn Du früh im August anreist oder nach dem spring term noch ein bisschen bleibst.

Die zwei besten Arten, die Natur zu genießen, sind für mich Ausflüge Up North, entweder in eine cabin oder zum Camping.

Fast jede Familie hat hier Zugang zu einer cabin an irgendeinem See weiter nördlich und wenn Du von Freunden dorthin eingeladen wirst, solltest Du das keinesfalls ausschlagen. Ich bin in mehreren cabins gewesen und diese typische Minnesotan’sche Erfahrung war einfach genial: Mal bin ich Jetski gefahren, mal Wasserski, mal kannst Du auf Dosen schießen, mal gibt es Riesentrampoline, eigentlich immer mindestens ein Motorboot und Tubes, Kayaks und Feuerstellen. Ich habe dort immer tolle und lauschige Wochenenden verbracht, ob mit befreundeten Familien oder nur mit Freunden in meinem Alter. Meine Lieblingscabin eines Komilitonen lag am Lake Vermillion knapp vor der kanadischen Grenze und man konnte dort nicht mit dem Auto hinfahren, sondern musste zum Schluss 10km Boot fahren.

Solltest Du am Anfang noch keinen Zugang zu einer cabin haben, ist Camping eine super Sache. In State Parks kann man recht günstig campen und in meinen beiden Semestern hier haben sich ständig Gruppen aus internationalen Studierenden zusammengefunden um für ein Wochenende ein Auto zu mieten und raus zu fahren. Camping Supplies könnt Ihr im Outdoor Center der U zu echt fairen Preisen mieten. Dieses bietet auch regelmäßig organisierte Trips an, für die Du Dich einschreiben kannst.

Auch innerhalb der Stadtgrenzen gibt es draußen eine Menge zu entdecken. Einer meiner liebsten Spots war die Stone Arch Bridge, von der man tagsüber und v.a. auch nachts eine super Aussicht auf die Skyline genießen kann. Weitere coole Plätze entlang des Mississippis habe ich auf Boom Island und in Downtown St Paul entdeckt. Außerdem sind die Seen im Westen der Stadt bei schönem Wetter natürlich ein Muss (am besten hinradeln über Midtown Greenway oder Cedar Lake Regional Trail)! Mit Gruppen von internationals haben wir gerne am Bootshaus der U am Wasser abgehangen, bis uns die Polizei verscheucht hat. Wenn es ganz verrückt wurde, haben dort auch einige von uns den Mississippi durchschwommen – nicht besonders zu empfehlen, wenn Du keinen Dreck magst. In einer sternklaren Nacht trotzdem ganz romantisch.

Sport

Sport kannst Du hier natürlich nicht nur gucken, sondern auch selber machen. Besonders cool, weil einfach, fand ich die von der U organisierten Ligen im Hallensport – die sogenannten intramurals. Ich selbst habe in einem Broomball-, einem Dodgeball-, und einem Soccer-Team gespielt. Diese waren jeweils unterschiedlich zusammegesetzt, aber immer eine Mischung aus Amerikanern und internationals, und hatten auch ganz unterschiedlichen Anspruch. Broomball und Dodgeball habe ich jeweils zum ersten Mal im ersten Spiel der Saison gespielt, das war aber auch völlig in Ordnung. Im Broomball wurden wir später richtig gut und haben nur knapp die Playoffs verpasst, im Dodgeball haben wir ausschließlich ordentliche Niederlagen kassiert.

Außerdem kann ich Dir den Ski and Snowboard Club ans Herz legen. Dieser veranstaltet im Winter regelmäßig Tages-, Wochenend- und im spring break auch Wochen-Touren für Schneebrettliebhaber/-innen jeglichen Niveaus. Auch Anfänger/-innen sind hier willkommen. Einigermaßen trinkfest oder besonders gut auf Skiern solltest Du sein, wenn Du auf der Hinfahrt nach Trollhaugen im Bus oder beim “Game of G.N.A.R.” mitmachst und danach noch sicher die Piste herunterkommen willst. Insgesamt sind die nahegelegenen Skigebiete im Vergleich zu den Alpen aber ein Witz, eher bessere Hügel.

Zu guter Letzt bekommst Du als Student der University of Minnesota automatisch das ganze Semester lang kostenlosen Zugang zum University Recreation and Wellness Center. Dieses ist wirklich huge and amazing und besonders im Winter sehr nützlich. Ich bin meistens zum Schwimmen dort gewesen, aber ebensogut kannst Du dort Laufen (ist aber down by the river viiieel schöner!), Pumpen, Basketballern, Saunieren oder aus einem großen Kursangebot wählen (z.T. kostenpflichtig).

Shopping

Shopping Kings and Queens kommen in Minneapolis locker auf ihre Kosten. Ob in der ehemals weltgrößten Mall of America in Bloomington oder der Open Air Nicollet Mall in Downtown. Minnesota erhebt keine Steuern auf Kleidung und daher ist es durchaus bezahlbar und hier und da kann man auch mal ein Schnäppchen machen. Vor allem wer Angst hat, zu wenig Wintersachen eingepackt zu haben, sei beruhigt: Es gibt hier genug Gelegenheit, nachzukaufen.

Für alle, die wie ich nicht so shoppingversessen sind, kann ich Goodwill empfehlen. Die Second-Hand-Kette ist v.a. für Klamotten super gut sortiert und super günstig. Außerdem fühlte ich mich beim Einkaufen immer gut, da Goodwills Einnahmen in soziale Projekte fließen.

Ein langes Fazit

…spare ich mir an dieser Stelle. Ich glaube, es wurde deutlich, dass ich meine Zeit hier geliebt habe!

Winter Break in California

***Leider sind im Zuge eines Serverabsturzes die Bilder zu diesem Beitrag verloren gegangen. Vielleicht werde ich sie irgendwann wiederherstellen. Ansonsten Glück für alle, die sie rechtzeitig gesehen haben.***

Der nächste Tagebuch-Eintrag datiert vom 1.1.2016. Da es jetzt natürlich ein bisschen unbefriedigend wäre, alles, was bisher geschah, einfach wegzulassen, versuche ich hier mal meine Schreibfaulheit durch einiges an freihändiger Retrospektive auszugleichen und dann mit ordentlich Bildmaterial aufzufüllen. Ich entschuldige mich hiermit beim Zukunfts-Lobosch und bei meinen Kindern, falls es dadurch nicht ganz so frisch und witzig klingt, wie ich es mir wünschen würde. Sei’s drum. Los geht’s:

Schon länger stand fest, dass ich mich im Winter ungern damit zufrieden geben würde, mich eine halbe Stunde täglich von meiner importierten Sonnenlichtlampe bescheinen zu lassen und den Rest der Zeit zu hoffen, dass es nicht so kalt würde, dass mir die Glieder gefrieren. Nachdem der anfängliche Plan einer Kuba-Reise aus Zeit-, Finanz- und Visagründen leider vorerst auf Eis gelegt werden musste und ich den Strand Florida’s einerseits schon kannte und mir andererseits auch gut als Spring Break Destination vorstellen konnte, entschied ich mich zusammen mit ein paar anderen internationalen Nasen für eine Rundreise durch Kalifornien.

Nachdem die Klausurphase erfolgreich abgeschlossen war, hieß es jedoch erst einmal Abschied nehmen. Abschied von all denjenigen internationalen Studierenden, die unsere Familie nach einem Semester schon viel zu früh und noch viel zu jung wieder verlassen mussten. Natürlich muss ich jetzt hier ein paar abgedroschene und hundertfach gelesene Sätze loswerden, dass es die perfekte Gruppe war und ich alle megadoll vermisse und wir uns ganz bestimmt bald alle wiedersehen und so cutes Zeugs… aber es stimmt halt, was kann ich also tun?
Ich kann gerade jetzt mit einem Vierteljahr Abstand sagen, dass Ihr (Ihr wisst, dass Ihr gemeint seid) mir hier sehr, sehr, sehr fehlt. Danke! Danke für ein unglaubliches Semester und all die kleinen Begegnungen und Gesten, die den Alltag hier so wunderschön gemacht haben. Danke für gemeinsam lachen über und mit den Amis. Danke für die vielen gemeinsamen Ausflüge, Unternehmungen und Reisen. Danke für die verfeierten Wochenenden und vernebelten Tailgates (kurz bevor die Gophers mal wieder verloren haben). Danke für die 4 Monate in der Austauschblase, die sich alle wünschen, die zum Auslandsstudium aufbrechen. Und danke für den fulminanten Abschluss mit einer gesunden Mischung aus Wehmut und Party!

In all der Aufbruchstimmung gab der Gedanke an den bevorstehenden Trip doch glücklicherweise ganz gut Auftrieb. Mehr Zeit blieb dann auch gar nicht, bis Ana und ich uns am 20. Dezember in den Flieger nach San Francisco setzten. Dort angekommen, regnet es in Strömen. Warum sind wir nochmal hergekommen? Achja…
Pünktlich vor Weihnachten kommt Fabio aus Las Vegas eingeflogen und wir beziehen ein kuscheliges 1-Zimmer-Apartment mit guter Aussicht. Damit es noch ein wenig kuscheliger wird, laden wir zu Heiligabend mit Christopher, Joelle, Lars und Marie noch vier weitere Gäste ein, ihres Zeichens Fulbrighter auf Roadtrip. Gemeinsam holen wir alles aus der kleinen Küche raus und zaubern uns ein ganz passables Weihnachtsessen.
In den Weihnachtstagen erkunden wir die Stadt, wandern bei sich endlich mal zeigender Sonne mit Leon und seinen Brüdern durch den Castro und Mission District, schauen uns den Campus der UC Berkeley an, hängen mit Seelöwen am Pier 39 ab, sehen Alcatraz schon mal aus der Ferne und spazieren natürlich auch über die Golden Gate Bridge.

Als Fabio uns am 27. verlässt und sich nach Hause gen Italien aufmacht, geht für Ana und mich der Roadtrip los. Wir mieten uns einen Minivan, welcher über eine Einbauküche verfügt und abends mit etwas Umbauanstrengung ein großes Bett hervorbringt. So haben wir fahrbaren Untersatz und Schlafmöglichkeit in einem, was bei dem kalifornischen Preisniveau auch bitter nötig ist, damit wir uns die ganze Geschichte überhaupt leisten können.
Das Leben im Van definiert “Draußensein” völlig neu. Nicht als etwas, das man sich aussucht, wenn es da mal schöner ist als drinnen, sondern gewissermaßen als Grund- und Urzustand, mit dem man manchmal eben auch kämpfen muss – nachts werden es bis zu 0°C, drei Schichten Decke helfen. Dafür erleben wir tagsüber das wohl schönste Stück Highway Amerikas: Die als Big Sur bekannte Gegend, gelegen am Highway 1, welcher San Francisco mit Los Angeles verbindet, überzeugt mit einer atemberaubenden Landschaft, felsigen Küsten und kristallklarem Wasser. Tagelang schwelgen wir in Aussichten, halten in jeder zweiten Parkbucht und unternehmen die eine oder andere Wanderung, wobei wir so einige hübsche Plätzchen entdecken. Duschen kann man hier leider nirgends und der Pazifik ist zu kalt, daher müssen wir uns kreative Lösungen einfallen lassen und so buchen wir mal heiße Quellen und suchen mal Campingplätze in der Umgebung auf, um wieder sauber zu werden.

Pünktlich zu Silvester zieht es uns dann aber doch wieder in die Stadt und wir werden rollend in L.A. gesichtet (komischerweise aber nicht gehated). Dort treffen wir noch einmal die Nudelbande aus Leon und seinen Brüdern und feiern Silvester im Grand Park mit digitalem Feuerwerk (enttäuschend) und auf einer Couchsurfing-NYE-Party in einem PodShare, also einem ehemaligen Fabrikgebäude, in das hippe Menschen ein paar Hochbetten gezimmert haben. Hier treffen wir einige spannende Menschen, nicht nur Couchsurfer/-innen, sondern auch gestrandete und angekommene Existenzen, die mittelfristig bis dauerhaft hier leben.
L.A. ist zusammen mit Chicago definitiv meine neue Lieblingsstadt in den USA. Meine Erwartungen waren eher gedämpft, da andere berichteten, enttäuscht gewesen zu sein. Ich finde es hier einfach cool: Eine riesige Stadt mit vielen verschiedenen Kiezen, erinnert mich ein wenig an meine Muddastadt Berlin. Ich entdecke hier meinen Faible für moderne Kunst (wieder; schon auf Yves Klein auf LK-Fahrt in Nizza bin ich damals abgefahren) und davon gibt es hier mehr als genug: Etliche Museen, wir versuchen möglichst viele davon anzuschauen, ohne uns zu hetzen. Das neue “Broad” ist sogar kostenlos, wenn man lange dafür ansteht. Für die berühmten Werke, die ganzen Andy Warhols und Roy Lichtensteins habe ich kurz vor Schließung aber nur noch 10 Minuten Zeit, da ich zuvor Stunden in einer einzigen Arbeit verbringe – “The Visitors” von Ragnar Kjartansson ist das wahrscheinlich inspirierendste Kunstwerk meines Lebens: Der Künstler verbringt eine Woche mit seinen Freunden in einem Landhaus und am Ende nehmen sie gemeinsam ein mehr als einstündiges Musikstück in einem One-Take auf. Der Witz dabei ist, dass alle einzeln in verschiedenen Räumen des Hauses gefilmt werden. Der Künstler selbst zum Beispiel sitzt mit seiner Gitarre in der Badewanne im Erdgeschoss. Gegen Ende stehen die Musiker/-innen dann nach und nach von ihren Plätzen auf und treffen sich in einem der Räume, um ganz zum Schluss mit der ganzen Crew singend durch den Garten des Hauses zu spazieren und in der Landschaft am Horizont zu verschwinden. Guckt es Euch an, wenn Ihr je die Gelegenheit dazu habt! Sehr, sehr feierlich. Ansonsten ist L.A. verhältnismäßig günstig und total divers, es gibt leckeres mexikanisches Essen und natürlich auch sehr glamouröse Ecken. Wir besuchen Beverly Hills, den Walk of fame und die Universal Studios. Was für ein Start ins neue Jahr!

Dann ist 2016. Das heißt, wer im Jahr zweitausend geboren ist, ist jetzt sechzehn Jahre alt. Irre. Ana und ich sind mittlerweile nach San Diego weitergereist. Die vielen Tage zu zweit auf dem engen Raum und plötzlich einsetzender El-Nino-mäßiger Regen zehren an den Nerven und es tut uns richtig gut mit Lars und Florian mal wieder “Dritte” zu sehen und in einer Wohnung zu schlafen. Lars haben wir beim Weihnachtsessen kennengelernt und er hat es uns nicht übel genommen, dass wir die Mitternachtsmesse frühzeitig verlassen haben, also dürfen wir bei ihm und seinem Mitbewohner übernachten. Da die beiden nach ein paar Tagen nach Hawaii abhauen, haben wir das Apartment sogar kurz zu zweit. In San Diego machen wir neben dem üblichen aber nicht weniger coolen Touri-Kram (Point Loma, USS Midway, Museen, Parks und Strände) einen Ausflug in die Sporthalle der Uni, um uns mal wieder körperlich zu ertüchtigen. In der dortigen Sauna sauniere ich neben angezogenen Pumpern (die schwitzen da drin mit Schuhen!). Außerdem kann ich natürlich nicht nein sagen, als ich in einer mexikanischen recommended-by-lonely-planet-Kaschemme die “Lobster Combo” auf der Speisekarte entdecke.

Von San Diego aus überqueren wir für einen Tag die Grenze zu Mexiko, zu Fuß, da die Karre in Mexiko nicht versichert ist. Tijuana ist beschaulicher als sein Ruf und unser Tag dort beschränkt sich auf das Auf- und Ab-Schlendern der Tourimeile. Dies ist der südlichste Punkt unserer Reise.

Wir treten den Rückweg an. An einer Tankstelle gehen wir beinahe einem Trickbetrüger auf den Leim: Mit einer rührenden Story verwickelt er uns in ein Gespräch über Gott und die Welt und will uns etwas Geld abschwatzen. Als wir ihm fast glauben, meldet sich zum Glück ein weiterer Tankstellenbesucher lautstark zu Wort, er sei von unserem Unglücksraben beklaut worden. Daraufhin verschwindet dieser sehr schnell auf der anderen Seite der Straße, wo sich eine baugleiche Tankstelle befindet und er seine Nummer von vorn startet. Wir beobachten ihn noch eine Weile, bis wir ihn aus den Augen verlieren und weiter fahren. Wir machen auch auf dem Rückweg noch einmal in L.A. Zwischenstation und erfreuen uns noch einmal an der Kunstmetropole.

Einen interessanten Schlenker machen wir durchs Silicon Valley: Die Welten von Google und Apple, die bei deutschen Fans wohl diametral auseinander liegen, sind in Wirklichkeit ganz dicht beieinander und die Mitarbeiter/-innen gehen gemeinsam Mittag essen. Das Valley hat tatsächlich einen ganz eigenen Charme. Im Endeffekt kennt man das aber alles schon aus den unzähligen Beschreibungen. Zum Arbeiten würde ich trotzdem wieder herkommen. Mein alter DSA-Freund Philipp macht gerade sein Praktikum an der Universität Stanford und ist so nett, uns den Campus zu zeigen.

Als wir den Van am 14. Januar in San Francisco zurückgeben, stehen 1932 miles auf dem Tacho.

Eingelebt.

***Leider sind im Zuge eines Serverabsturzes die Bilder zu diesem Beitrag verloren gegangen. Vielleicht werde ich sie irgendwann wiederherstellen. Ansonsten Glück für alle, die sie rechtzeitig gesehen haben.***

Die stars and stripes habe ich mit Reißnägeln an der Wand befestigt, gegenüber hängt die Flagge Minnesotas. Die Heizung läuft, draußen ist es schließlich kalt geworden. Aus dem ersten Schnee habe ich einen Schaukelstuhl befreit und ihn dann vom Straßenrand bis hoch getragen. Quer über meinen Schreibtisch, eine Kommode und bis in ein Regal hinein verteilt liegen Zeugnisse meines ersten Semesters an der U of M: Sauber zusammen getackerte Paper, hastig hingekritzelte Skizzen, Ausdrucke von Präsentationsfoliensätzen und viele, viele Bücher. So oder so ähnlich könnt Ihr Euch mein Zimmer vorstellen, jetzt wo es auf die letzten Wochen eines interessanten und durchaus produktiven Semesters zugeht.

Was habe ich nicht alles erlebt inzwischen…Wenn ich mir mein Tagebuch so anschaue, müsste man denken, ich sei eigentlich ununterbrochen unterwegs gewesen:

Zum Beispiel im Bear Head Lake State Park zum Camping.
Der Park befindet sich nördlich von den twin cities im ruralen Minnesota. Mit einer großen Gruppe aus 12 internationals haben wir uns auf den Weg gemacht, die Herbstsonne zu nutzen und zu schauen, was es denn mit der Schönheit der 10.000 Seen nun wirklich auf sich hat. Zelte haben wir uns günstig beim Outdoor-Center der Uni ausgeliehen und als wir bei der Autovermietung dank Marios Verhandlungskünsten ein kostenloses Upgrade auf einen Wagen aus der V.I.P.-Sektion, ausgestattet mit allerlei Schnick-Schnack und vor allem einem fetten BOSE-Soundsystem, bekommen, sind wir für Camping fast schon over-dressed. Wir haben dank Nebensaison unseren eigenen Campingplatz inkl. flagpole und Seezugang. Ein schönes Wochenende lang atmen wir frische Wald- und Wiesenluft, grillen und lagerfeuern was das Zeug hält und kämpfen mit Ketchup. Ich friere nachts und erkälte mich ein bisschen, daher fällt das letzte Draußenschwimmen des Jahres für mich leider flach. (Macht nichts, ich hab kurz vor Abreise dafür nachts den Mississippi durchschwommen. War wohl nicht so gesund, sagte man mir hinterher.) Bären gibt’s im state park wie der Name sagt wohl auch, ich sehe keinen, die anderen vermelden einen kleinen Schwarzbären aus dem Auto. Auf dem Rückweg machen wir einen Schlenker durch die Hafenstadt Duluth, nichts Besonderes, aber der scenic drive am großen Lake Superior entlang hat was. Den Rest der Strecke fahren wir hauptsächlich Bob-Dylan-hörend den Highway 61 entlang.

Zum Beispiel auf Städtetrip in Chicago.
Zwei Tage lang sind wir in unserer Vierergruppe echt gut unterwegs, teils zu Fuß, teils mit Leihfahrrädern. Die Stadt ist verdammt cool. Wie erwartet groß und divers, hoch gebaut und hoch gestapelt, wenn auch niemals höher als New York, sonst wäre ja der Witz mit der “second city” dahin. Elektronische Musik soll hier geboren sein. Legendär das “warehouse” mit dem Urvater des Chicago-House Franky Nuckles. Das alte Warehouse steht zwar noch und ich bestehe auch darauf dort hin zu gehen, heute befindet sich darin jedoch eine Kanzlei. #gentrification ist nicht nur in Berlin ein Problem. Gute Musik gibt es zwar, die Headliner kommen ironischerweise aber aus Berlin. Monkey Safari im Primary machen trotzdem Laune. Außerdem gibt es einen Strand (!), was Sinn macht, da Chicago ja an einem der großen Seen liegt, mich aber total positiv überrascht, da ich das so nicht auf dem Schirm hatte. Das gute Wetter trägt seinen Teil dazu bei, dass es ein rundum vergnüglicher Trip wird.

Zum Beispiel Roadtrippin’ zum Mount Rushmore.
Nach mehreren Anläufen Planung verwerfen wir den ursprünglichen Plan, das Wochenende im sonnigen Florida zu verbringen und entscheiden uns für einen road trip ins benachbarte South Dakota. Der Schweizer Joel springt in letzter Sekunde noch auf den Zug auf und so kuscheln wir uns zu fünft stundenlang in ein diesmal nicht so üppiges Mietauto und fahren den “langweiligsten Highway Amerikas” runter. Immer geradeaus. Und weiter. Und weiter. Und weiter. Und so weiter. Wenigstens wird die Playlist nicht langweilig, Spotify ist mit über 400 Titeln aufgeladen. Dass sich der Trip dann wirklich lohnt und zu einem meiner Highlights bisher wird, liegt zum kleineren Teil am scho-au-mal-imma-au-mal beeindruckenden Anblick des Mount Rushmore – dessen Story sehr rühmlich übrigens nicht ist, wie wir spätestens erfahren, als wir eines Abends vor unserem Hotel in Rapid City einen Amerikaner mit indigenen Vorfahren treffen, der uns, vermutlich ein wenig angetrunken, unmissverständlich klar macht, dass er und vor allem seine Vorfahren es nicht so cool fanden, als die Regierung den Native Americans ihren heiligen Berg weggenommen hat, um darein die Köpfe vier weißer Dudes zu meißeln – zum größeren Teil aber an unverhofft schönen Höhen bei einer Wanderung auf den Harney Peak und am folgenden Tag durch die Badlands und nicht weniger faszinierenden Tiefen, als wir in die Jewel Cave, die aktuell drittgrößte entdeckte Höhle der Welt, hinabsteigen. Einige wilde Büffelherden und Erdmännchenfelder später ist dieser kurzweilige Ausflug dann auch schon wieder vorbei.

Zum Beispiel zu Thanksgiving nach Wisconsin.
Thanksgiving ist für viele amerikanische Familien ein beinahe so bedeutendes Event wie Weihnachten und auch vom Brauchtum ähnlich angelegt: Die Familie kommt zusammen und dann wird tagelang zu viel gegessen und relaxt, unterbrochen nur von einer kurzen Shopping-Hysterie am Black Friday. Mit dem näherrückenden langen Wochenende (Donnerstag Thanksgiving, Freitag Brückentag und Montag für manche auch noch, quasi ein “Steg-Tag”) lichten sich langsam aber sicher die Reihen in der Uni und spätestens Mittwoch lassen eigentlich alle Profs den Unterricht ausfallen. Ich freue mich schon lange darauf, denn ich darf mein erstes Thanksgiving ganz traditionell in einer amerikanischen Familie erleben. Mitnehmen tut mich nämlich Emily, eine Freundin, die ich am Anfang des Semesters kennengelernt habe. Mit ihr und Lukas fahre ich zu ihren Eltern nach Whitewater, Wisconsin. Wir machen uns es sehr gemütlich, spielen Brettspiele und gucken Footballspiele (die “unsere” Teams leider alle klar und deutlich verlieren), hängen im Whirpool ab, spazieren des Tags und bei Nacht durch das Örtchen und die Nachbarschaft und essen Truthahn, wie sich das gehört. Tausend Dank an Familie G. für die Einladung und Gastfreundschaft! Eine tolle Erfahrung und auf jeden Fall realer (sprich: riː.əler), als für das Wochenende nach Miami zu jetten :)

Was mir sonst so aufgefallen ist seit meinem letzten Post:
Vieles deutet darauf hin, dass ich mich hier im Exil politisiere. Um mich näher dran zu fühlen an zuhaus verbringe ich nämlich wöchentlich viele Stunden damit, Nachrichten zu lesen. Das führt ganz automatisch dazu, dass ich zu mehr Themen eine Meinung habe und auch meinen Senf abgebe. Alle Menschen, mit denen ich auf Facebook befreundet bin, wissen, wovon ich rede. Je weniger ich hier in diesem Blog geschrieben habe, desto mehr bei Facebook. Es fällt mir auch nicht leicht, bei allem was gerade in Europa passiert, “weg” zu sein. Natürlich muss man Facebook mit Vorsicht genießen, das ist aber leichter gesagt als getan, wenn es so ziemlich der wichtigste Kanal nach Hause ist. Als wir in South Dakota vom Wandern in den Bergen wiederkommen, laufen auf dem Hotelfernseher gerade alle Kanäle heiß und zeigen Live-Bilder aus Paris. Facebook zeigt mir kurz darauf an, dass sich 16 meiner Freunde in Paris “in Sicherheit” befänden. Die restlichen am nächsten Morgen dann zum Glück auch. Facebook zeigt mir auch an, dass Hillary Clinton 1,5 Mio. “gefällt” und Donald Trump 4 Mio. Schlimm, schlimm…

Ein Leben im Hier und Jetzt und unter der Woche gibt es natürlich auch noch. Dazu gibt es aber nicht viel mehr zu sagen, als im ersten Absatz kurz angerissen: Es läuft so ohne weitere Vorkommnisse. Die englische Sprache verbessert sich bei mir zwar mit jedem gelesenen Text und jedem geschriebenen Paper und ich habe auch jeden Tag eine neue Vokabel im Wortschatz. Frustrierenderweise geht es aber bei Weitem nicht mehr so schnell in Kopf und Herz über, wie damals Französisch. (Jaja, das Alter.)
Überraschende Momente sind nun nicht mehr alltäglich, treten in kleinerer Form aber ab und zu in der Uni oder zuhause in Erscheinung: In Form von Lehrbüchern, welche 200$ und mehr kosten, in Form von einem kleinen sozialwissenschaftlichen Kurs, welcher mir zu 25 Jahren deutscher Einheit gratuliert, in Form der Gehälter, welche die Uni ausbezahlt – ich erfahre, dass der Präsident der University of Minnesota deutlich mehr verdient, als der Präsident der Vereinigten Staaten, was allein schon spannend genug wäre, witzig ist aber, dass dieses Gehalt noch um ein Dreifaches von dem des Football-headcoaches übertroffen wird – in Form von meinem Mitbewohner Anjie, der mir eines Tages eine Viertelmelone in die Hand drückt, weil meine Mangelernährung bei ihm Mitleid ausgelöst hat oder in Form eines schrägen Deals, den mein Vermieter mir anbietet (siehe Foto).

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So viel von mir. Ich stürze mich jetzt in 2 Wochen Klausurenphase, um dann rechtzeitig zu Weihnachten Minnesota hinter mir zu lassen und in Richtung der kalifornischen Wärme zu flüchten.

Bis zum nächsten Mal!

Wieder unterwegs!

Endlich bin ich wieder unterwegs!

Bewaffnet wie gehabt mit einem blanco-Tagebuch (18$ am Flughafen, die spinnen!) und einer großen Portion Abenteuerlust bin ich unterwegs ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Amerika! MERICA! DAYUM! Diesmal wird es auch kein Quickie und eigentlich auch gar keine Reise im eigentlichen Sinne. Ich werde dieses Mal ein ganzes Jahr über den Teich hüpfen – für ein Studium an der University of Minnesota in der als „twin cities“ bekannten Metropolregion von Minneapolis/Saint Paul, Minnesota.
Vielen Dank an dieser Stelle an alle, die mich ermutigt und unterstützt haben, das auch tatsächlich durchzuziehen!

Schon der Hinweg bietet spannende „insights“. Zuerst stechen mir die großflächigen Plakate ins Auge, welche am Flughafen Newark Werbung für die Notrufnummer 9-1-1 machen. Der Spruch darauf lautet relativ catchy „If you SEE something SAY something“, das eigentlich Spannende ist aber, dass dahinter ein fettes „TM“ prangt. Sogar Werbesprüche für Notrufnummern werden hier also patentiert, das kann ja heiter werden.

Nach einer Nacht im Bett meines kleinen Bruders, acht Stunden Flug von Berlin und guten vier Stunden Wartezeit bis zum Anschlussflug bleibt das vorerst meine einzige dokumentierte Erkenntnis, jedenfalls findet sonst nichts Teilenswertes den Weg in mein Tagebuch. Als ich mich relativ knülle ins Anschlussflugzeug setze, geht mein Plan, für die letzten Minütchen bis zur Ankunft in meiner neuen Heimat einen Powernap einzulegen, sofort auf. Als ich nach einer Stunde aufwache, stehen wir auf dem Rollfeld. Schon da? Leider nein, leider gar nicht. Im Gegenteil: Wir sind noch nicht mal losgeflogen. Im nächsten Moment werden wir auch in freundlichem Flugbegleiterinnen-Englisch gebeten uns kurz noch mal in das Terminal zu begeben. Schlechte Wetterbedingungen – angeblich. Das erzählt uns um 19:00 Uhr Ortszeit (ich hätte gerade im Abholservice vom Flughafen MSP zur Uni sitzen sollen, den ich reserviert habe) auch der Typ am United Airlines Customer Service-Schalter, auf den wir 1 Stunde in der Schlange gewartet haben. Leider müssten wir daher auf einen Flug um 6:30 am nächsten Morgen umgebucht werden. Das Hotel kann er uns zeigen aber leider nicht bezahlen, es läge ja schließlich an höherer Gewalt, dass unser Flug ausfiel. Alle anderen Flüge gehen selbstverständlich raus. Wie war das mit der Servicewüste?

Zum Glück habe ich in der Warteschlange schon Eva und Matze aus Süddeutschland (ich formuliere das mal diplomatisch) kennengelernt, die das gleiche Problem haben wie ich. Ich kann die beiden davon begeistern, uns die zu teure Hotelübernachtung zu schenken und stattdessen nach NYC reinzufahren. Matze kennt die Stadt einigermaßen und macht mit uns das Express-Touri-Programm: Einmal zum neonleuchtenden Times Square und dann mit der U-Bahn zur Brooklyn Bridge, wo wir vor lauter Aussicht ein paar Fotos machen. Natürlich darf dazu ein zünftiger Bacon-Cheeseburger „all the way“ von five guys nicht fehlen. Pervers ist, dass es hier draußen sogar bei Nacht super heiß ist, durch die Abluft der zu hoch eingestellten Klimaanlagen wird die Stadtluft unnötig aufgeheizt, nur damit es drinnen dann unnötig und unangenehm kalt ist. (Energie ist hier kein Problem. Fracking passiert ja woanders.)
So hat mir der Flugstorno schließlich gleich einen kleinen Stadttrip beschert. Guter Start in mein Amerika-Abenteuer.

Endlich angekommen wohne ich temporär in einem Studiwohnheim. Da darf ich aber nur maximal 10 Tage bleiben, also geht’s relativ unvermittelt auf zur Wohnungssuche. Zum Glück ist das hier anders als zuhause, WGs sind oft eher zweckmäßig und es gibt ein paar mehr freie Zimmer/Kopf, daher gibt es keine Massencastings oder -besichtigungen. Mieten sind jedoch teuer, um etwas Günstiges zu finden, gucke ich mir tagelang echt schlimme Zimmer an. Kellerraum, fensterlos, mit einem Vorhang vom Waschkeller getrennt, 450$/Monat ist so ungefähr das Portfolio, wenn man nicht am Arsch der Welt wohnen möchte. Das bringt in den ersten Tagen und mit steigendem Zeitdruck erstmal viel Frust. Am Ende sage ich einer WG zu und in letzter Minute wieder ab, da ich doch noch ein bezahlbares, helles Zimmer in dinkytown, der Studi-Szene-Gegend finde. Damit verknüpft sind allerdings 3 Umzüge und 10 weitere Tage in vorübergehenden Zimmern, da mein Zimmer noch nicht bezugsfertig ist und mich der Vermieter immer dahin steckt, wo gerade Platz ist. Na zum Glück bin ich rechtzeitig angereist! In meinem Zimmer bin ich nun, 2 Wochen später, echt glücklich, die Lage entschädigt für Küche und Bad, die in Sachen Ausstattung und Sauberkeit Erinnerungen an Südamerika wecken. Außerdem ist der Preis echt fair, immer wenn andere internationals hören, dass sie das Doppelte bezahlen und im weiter weg gelegenen University Village wohnen, muss ich mich beneiden lassen. Lisbeth aus Dänemark fasst sich als Einzige noch vor der ersten fälligen Miete ein Herz und zieht aus dem UV in mein Haus, nun sind wir Nachbarn.

Ansonsten bin ich in diesen ersten Tagen einigermaßen einsam und hauptsächlich damit beschäftigt, mein Leben einzurichten: Handykarte, Fahrrad, state ID und Poster für mein Zimmer besorge ich mir schnellstmöglich. Später kommt noch Kochgeschirr dazu, denn wer hier täglich auswärts isst, wird garantiert fett bei 1000+ kcal-Portionen (arm hingegen nicht, das Preis/Fett-Verhältnis ist außergewöhnlich).
So laufe ich also tagelang durch die Stadt und erkunde dabei den Campus und Minneapolis: Eine äußerst amerikanische Stadt, fast klischeehafte Wolkenkratzer, dazu aber relativ viel Grün, insgesamt eine gesunde Mischung. Der Campus der Uni ist irre: Alles ist huuuge, sieht ein bisschen gleich aus und wie im Computerspiel SIMS gebaut. Anfangs ist noch alles menschenleer, das soll sich in den folgenden Wochen aber ändern. Mein Highlight ist der Weg über die unieigene Brücke, die den hier schon mächtigen Mississippi überspannt und den großen Campus auf der east bank mit dem kleineren Bruder auf der west bank verbindet.

Das anfängliche Alleinsein fällt mir als sozialem Wesen erwartungsgemäß schwer und manchmal frage ich mich, warum das so unglaublich fantastische Jahr mit den so vielen neuen tollen Leuten denn noch nicht angefangen hat – am besten mit voller Wucht und von ganz allein. Ich bin es einfach nicht gewohnt, nur eine Verabredung am Tag zu haben und dann total traurig, als diese ein Mal auch noch absagt. Ein schlechtes Gefühl auch, dass so simple Dinge wie das Besorgen von Möbeln zum Problem werden können, wenn man niemanden kennt, der einem ein Auto leihen würde. Schon komisch. Und das, obwohl ich hier sehr willkommen bin, genug Geld dabei habe und die Sprache ausreichend spreche. Da frage ich mich täglich zur Tagesschau (um 13 Uhr Ortszeit) dann logischerweise, wie es erst Menschen gehen muss, bei denen diese Umstände teilweise oder gänzlich nicht erfüllt sind. Die Nachrichten zur „Flüchtlingskrise“ stimmen mich regelmäßig traurig. #deutschlanddumiesesstückscheisse. Wahrscheinlich mussten die, die da gegen Geflüchtete hetzen, noch nie aufbrechen und dabei ihre Komfortzone zuhause lassen. Schon gar nicht allein.

Das Trübsalblasen hat ein Ende, als ich beim Kick-Off-Event der O-Woche Ram und Tom kennenlerne. Ich bin ein bisschen spät dran und setze mich auf den einzigen freien Stuhl. Und weil es irgendwie sein sollte, habe ich dabei 2 coole Menschen kennen gelernt. Ram ist schon in seinem zweiten Studienjahr hier. Zur Veranstaltung ist er nur wegen des free foods gekommen und weil er eh nichts Besseres zu tun hatte. Tom ist wie ich ein exchange student und kommt aus Manchester. Wir chillen tagelang in Rams fraternity house, wo wieder ein Klischee nach dem anderen bestätigt wird, z.B. wenn wir beer pong in rote Plastikbecher spielen oder Pizza aus der Pizzeria in Sichtweite per Lieferservice bestellen. Fraternities sind zum Glück ziemlich anders als Studentenverbindungen/Burschenschaften in D. Es geht in erster Linie um den Atzenfaktor und da kann ich dann ohne schlechtes Gewissen mitmachen. Außerdem gibt es genau so viele sororities und auch das fühlt sich irgendwie besser an (keine #sexistischenaihrwisstschon).

Tagelang jagt eine Einführungsveranstaltung die nächste Einführungsveranstaltung, die unterschiedlichen Welcome-Programme und -Veranstaltungen (organisiert von der Uni, von der Carlson School of Management, meiner Fakultät, und eins von so ziemlich jedem student club und davon gibt es zig). Wir dürfen dem Präsidenten und seiner Frau fürs Foto die Hand schütteln, wenn wir uns vorher brav angestellt haben. Wir posieren mit GoldyGopher, dem Maskottchen der Uni, der den hier überall rumhüpfenden Erdhörnchen nachempfunden ist.
Die internationals@Carlson sind eine erfrischende Truppe, bunt gemischt aus allen erdenklichen Herkunftsländern und altersmäßig alle zwischen 19 und 34 Jahre.
Zusammen besuchen wir die Minnesota state fair, eine Mischung aus Messe, Volxfest, bäuerlichem Markt und Streichelzoo. Und natürlich huuuge. Hier gibt es original amerikanische Kulinarik und Kultur, vor allem frittierte Snickers-Riegel, frittierter Käse, frittierter Kuchen, frittiertes Eis usw. usf.
Außerdem gehen wir zu einem Baseball-Spiel der heimischen Profis. Gähn…, das Ding dauert fast 4 Stunden und bei 54 Versuchen (3 pro Team in jedem der 9 innings) steht es am Ende 3:0. Naja muss man mögen, HotDogs gab’s dafür für 1 Dollar.
American football ist dagegen ganz anders. Noch vor dem ersten Spiel entscheide ich mich, mir eine Dauerkarte für die Golden Gophers, das College-Football-Team zu kaufen. Mit meiner riesigen Erfahrung aus den letzten 4 SuperBowls erscheint mir das eine rationale Entscheidung. Beim ersten Spiel werde ich nicht enttäuscht: Das Stadion ist mit ~50.000 Zuschauenden ausverkauft und die Stimmung ist amazing. Man weiß bei all dem Event gar nicht, wohin man den Blick richten soll. Cheerleading hier, marching band dort, GoldyGopher läuft mit seiner T-Shirt-Kanone rum, wir müssen uns ständig zuprosten, ich lasse mir von einem bekennenden Republikaner (davon gibt es hier doch mehr als gedacht) „This is MERICA, FUCK YEAH!“ ins Gesicht brüllen und dann gibt es ja auch noch dieses Spiel. Wir verlieren am Ende knapp, was aber okay ist, denn die Jungs der anderen Mannschaft aus Texas sind die zweitbesten in ganz Amerika.
An einem besonders sonnigen und warmen Tag unternehmen wir einen Fahrradausflug zum stadtnächsten See, dem Lake Calhoun. Mein aktueller Seen-Besuchs-Count in Minnesota steht nun auf 1/10.000.
Außerdem besuchen wir die Mall of America, das ehemalst größte Einkaufszentrum der Welt mit hauseigenem Freizeitpark. Als wir für eine Achterbahn eine Stunde lang anstehen, beschließen wir, dass eine Achterbahnfahrt reichen muss.

Eigentlich bin ich ja zum Studieren gekommen. Daher möchte ich zum Schluss auch noch schnell 2 Worte zum Unterricht hier verlieren: Es gibt Kurse, die sind genau wie zuhause voll und langweilig. Es gibt aber auch richtig gute Kurse, in denen nur 15 Leute sitzen, in denen der Professor richtig Bock auf Unterrichten hat und die mir bestimmt einiges abverlangen werden (Englisch als Drittsprache ist hier kaum eine Ausrede oder ein überzeugendes Argument für Extrawürste, schließlich sind super viele Internationale hier und auch alle anderen irgendwie mal vor nicht allzu langer Zeit eingewandert.). Einen Professor mag ich besonders, mit seinem american style of teaching erzählt er die ganze Vorlesung lang stories und lässt dabei geschickt die Theorie aus dem Lehrbuch mit einfließen. Außerdem glaubt er an den American Dream und erzählt besonders gerne von Karrieren, die ganz unten begonnen haben und er versucht, jede/-n Einzelne/-n in dem Kurs (und das bei einem größeren Kurs mit ca. 60 Studis) zu motivieren, wir müssen ständig unsere Stärken und Erfolge benennen, weil Selbstbewusstsein eben auch zum leadership dazugehört. Recht hat er, finde ich und so kann ich mir meine Komiliton/-innen hier tatsächlich als zukünftige Manager/-innen vorstellen, was an der FU in „Management“ bei Prof. Bresser nun wirklich nicht der Fall war.
Ich bin gespannt, wie gut ich es hier schaffe, den Anschluss zu halten. Besonders das viele Lesen in englischer Sprache wird kein Klacks.

Insgesamt geht es mir hier mehr als gut, macht Euch keine Sorgen. Trotzdem freue ich mich natürlich, ab und zu von Euch zu hören!

#iphoneswelcome

Bis zum nächsten Mal!